Besser leben ohne Müll! - Neue Initiative für eine müllfreie Weststadt

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Besser leben ohne Müll! - Neue Initiative für eine müllfreie Weststadt

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Alte Matratzen, Sperrmüllhäufen, umgeworfene Tonnen und Gelbe Säcke soweit das Auge reicht – an manchen Tagen gleicht die Ulmer Wagnerstraße einer Mülldeponie. Dann herrscht Hochbetrieb bei den Entsorgungsbetrieben (EBU). Viertelstündlich gehen Beschwerden ein, die zu bearbeiten sind, wilde Ablagerungen müssen aufgenommen und kontrolliert werden. Oft können die Verursacher ausfindig gemacht und zur Verantwortung gezogen werden. Sonst trägt die Allgemeinheit die Entsorgungskosten, meist in vierstelliger Höhe. So kann es nicht weitergehen, findet das Team Abfallberatung der EBU und startet im Frühjahr eine Aufklärungskampagne in der Weststadt.

Susanne Haible vom Team Abfallberatung kann ein Lied davon singen. Täglich wendet sie einen Großteil ihrer Arbeitszeit zur Verfolgung und Bearbeitung wilder Müllablagerungen auf. „Unsere Müllkontrolleure sind den ganzen Tag im Einsatz“, berichtet sie. „Tatsächlich können wir über die Hälfte der untersuchten Fälle aufklären.“ Den Rest müssen die EBU auf Kosten der Allgemeinheit entsorgen. Oft hilft schon ein Gespräch vor Ort oder ein geduldiges Telefonat mit der Verwaltung weiter, kurzfristig eine Lösung zu finden oder die Verursacher zur Vernunft zu bringen. Dauerhaft lösen lassen sich die Probleme dadurch nicht. Denn die schiere Menge der Vorkommnisse in sämtlichen Stadtteilen macht eine konsequente Ahndung praktisch unmöglich.

Die Ursachen sind vielschichtig

Wer macht denn sowas? – fragen sich viele Ulmer*innen sicherlich mit wenig Verständnis, denn die große Mehrheit hält sich gewissenhaft an die Entsorgungsregeln. Schnell wird dann der Ruf nach Kontrolle und Bestrafung laut. Das ist sicher eine Notwendigkeit, die auch schon praktiziert wird. Für eine Ausweitung bräuchte es mehr Personal. Doch das kann nur ein Teil der Maßnahmen sein, denn die Gründe für solches Verhalten sind vielschichtig. Bereits eine einzige abgestellte Mülltüte lässt die Hemmschwelle sinken, lästige Abfälle einfach dazu zu stellen. Die Anonymität der großen Wohneinheiten mit häufig wechselnden Mieter*innen trägt erheblich dazu bei.

Hier scheint die gesellschaftliche Problematik durch, die hinter der Vermüllung solcher Brennpunkte steckt. Viele Anwohner*innen schrecken davor zurück, ihre Beobachtungen in Form einer Anzeige mitzuteilen, aus Angst vor Repressionen. So wie im Februar 2024, als der Sperrmüllberg am Theodor-Heuss-Platz auf mehrere Kubikmeter angewachsen war und die EBU zur Aufklärung eine Belohnung aussetzten. „Trotz vieler Hinweise konnten wir nur kleinere Mitläufer ermitteln“, sagt Susanne Haible, die damals die Anrufe entgegennahm. „Die Hauptverursacher waren unauffindbar.“ Bisweilen stecken sogar gewerbliche Aktivitäten dahinter.

Doch Skrupellosigkeit ist nicht der einzige Grund für solch asoziales Verhalten. Nicht alle handeln bewusst oder verstehen das Konzept unserer Kreislaufwirtschaft. Häufig scheitert es schon an Sprachbarrieren. Zu selten werden neue Mieter*innen ausreichend über die Entsorgungsvorschriften aufgeklärt oder haben schlicht keinen Platz für eine ordentliche Mülltrennung. Diesem Personenkreis soll nun mit dem Projekt „LEB NICHT IM MÜLL“ die Hand gereicht werden, um ein regelgerechtes Verhalten zu ermöglichen.

Kommunikation auf Augenhöhe

In 5 Sprachen werden die EBU mit verschiedenen Kooperationspartnern ab dem Frühjahr auf die Menschen in der Weststadt zugehen, um über die Regeln aufzuklären. Allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern als Angebot zum Mitmachen. Das Konzept der Ulmer Müllscouts stand dabei Pate. Deshalb ist auch die Agentur „dreivorzwölf“ mit von der Partie, die für Ulm die Müllscouts organisiert. Im letzten Jahr startete diese ein ähnliches Projekt mit der Stadt Ludwigshafen, wo es schnell positive Impulse gab.

Anhaltende Erfolge setzen freilich ein langfristiges Engagement voraus. Und das kann nicht von den EBU geleistet werden, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Hier sind alle Bewohner*innen gefragt, ihrer Umgebung etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um die Anonymität zu durchbrechen und ein gemeinsames Verantwortungsgefühl zu entwickeln. Deshalb war es dem EBU Team wichtig, Partner wie die AG West, die Quartiersozialarbeit und die Wohnbaugenossenschaften von Anfang an mit einzubinden. Gemeinsam wurden Ansatzpunkte und mögliche Maßnahmen erörtert.

Ab Mai 2025 sollen an verschiedenen Brennpunkten der Weststadt regelmäßig Straßenaktionen und Müllsammlungen stattfinden. Mittels auffälliger Werbeträger, kleiner praktischer Give-Aways sowie Rate- und Spielangebote will das Projektteam mit den Bewohner*innen ins Gespräch kommen, um für die Abfallproblematik zu sensibilisieren. Speziell geschulte Müllscouts werden dabei personell unterstützen. Parallel werden die EBU auf Vermieter*innen zugehen und lokale Möglichkeiten einer geordneten Entsorgung prüfen. Ebenfalls geplant sind Projekte mit den Schulen der Weststadt. Kinder können als Multiplikator*innen oft in ihre Familien hineinwirken.

Die von „dreivorzwölf“ entwickelte Aufklärungskampagne setzt auf eine eindrückliche Bildsprache. In grellen Farben werden Müllansammlungen in der Weststadt gezeigt, davor weiße Silhouetten von spielenden Kindern. Die Botschaft ist klar: Hier passt etwas nicht zusammen. Die weißen Gestalten signalisieren, dass jede*r betroffen sein kann, ein Appell an die Eigenverantwortung. Die Motive sollen längerfristig plakatiert und als Postkarten verteilt werden. Ein aufgedruckter QR-Code verweist auf leicht verständliche Informationsseiten in der jeweiligen Sprache. Um möglichst Viele anzusprechen, hat das Projektteam anhand der Bevölkerungsstatistik der Weststadt die fünf häufigsten Sprachen ausgewählt. Bleibt zu hoffen, dass sich die Zielgruppen angesprochen fühlen und dies auch zu einer besseren Sozialkontrolle führt.

Thomas Dombeck