Kleider helfen Leute

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Kleider helfen Leute

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Klappe auf, Sack drauf, Klappe zu. Und schon verschwinden Hose, Hemd und Halstuch im Bauch eines Altkleidercontainers. Doch was geschieht eigentlich danach mit den Spenden?

Die Zahl ist enorm. Pro Jahr fallen in Deutschland eine Million Tonnen gebrauchte Textilien an. Würde man sie in Lastwagen packen und diese hintereinander aufreihen, stünde der erste Lkw in Flensburg, der letzte im 1.000 Kilometer entfernten Innsbruck. Diese Menge hat sich, laut Fairwertung e.V., in den vergangenen 15 Jahren in etwa verdoppelt. Gründe für die wachsenden Altkleiderberge sind häufig wechselnde Kollektionen, billige Ware, Massenproduktion und miserable Qualität. Doch was geschieht damit? 

Die über 130 verschiedenen Organisationen des Dachverbandes garantieren eine hochwertige und vollständige Sortierung der Kleiderspenden. In Ulm und um Ulm herum hat zum Beispiel das Fairwertung-Mitglied „Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart“ 25 Kleidercontainer aufgestellt. „Noch tragbare Kleidung wird im In- und Ausland weiterverkauft“, heißt es aus der Zentrale in Essen.

Kleider bis unter die Decke

Doch es gibt auch andere Konzepte. Die Arbeitsgemeinschaft Missions- und Entwicklungshilfe e.V. in Laupheim, ebenfalls Fairwertung-Mitglied, führt zusammen mit den katholischen Kirchengemeinden Mitte März und Mitte September im Stadtgebiet Ulm Straßensammlungen durch. In deren Sammelzentrale stapeln sich die angelieferten Kleider in zig Gitterboxen bis unter das Hallendach. 

Insgesamt kamen im vergangenen Jahr 437 Tonnen zusammen. Allein 174 Tonnen wurden direkt an der Fockestraße im Laupheimer Industriegebiet abgegeben. 
60 bis 70 Prozent der Mäntel, Jacken, Hosen und Blusen werden nach eingehender Prüfung nach Angola, Brasilien, Burundi, Litauen, Namibia, Peru, Rumänien und Tansania verschickt, wo sie von karitativen Partnerorganisationen übernommen werden. 

Für Roman Engelhart ist das Ziel klar: „Wir wollen Kleider spenden und nicht verkaufen.“ Doch auch die Anlieferung, die Prüfung, Sortierung und den Versand gibt es nicht umsonst. „Finanziert wird das alles von der aussortierten Topware, die unter anderem im angrenzenden Laden, in unserer Modeboutique in Biberach oder auf Kleidermärkten neue Käufer finden“, erklärt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Missions- und Entwicklungshilfe e.V.: „15 Prozent der angelieferten Kleidung wurde noch nie getragen, etwa 45 Prozent maximal bis zu drei Mal.“ Ohne die über 1.000 ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen wäre der Umschlag in Laupheim nicht zu stemmen. 

Sie kümmern sich um die Vor- und Feinsortierung, die Preisauszeichnung für den Kleiderladen und die Modeboutique, bündeln, pressen und verladen. Neben Kleidung werden von hier unter anderem auch Schulausstattungen, technische Einrichtungen für Krankenhäuser oder Küchenelemente für Flüchtlingslager versendet. 

Ausgelatschte Schuhe

Zudem stapeln sich hier auch Koffer, die bald ihre lange Reise nach Rumänien, Peru oder Chile antreten, wo sie vor Ort mit Kleidern gefüllt und von den Bedürftigen in Empfang genommen werden. Roman Engelhart: „Oftmals sind diese Menschen dort zwei Tage mit dem Bus unterwegs, um ihren Koffer entgegennehmen zu können.“ 
Bis zu 30 Prozent der angelieferten Spenden können jedoch nicht mehr als Kleidungsstücke getragen werden. Dabei handelt sich um löchrige Socken, Hosen mit kaputten Reißverschlüssen und fehlenden Knöpfen oder schlicht um ausgelatschte Schuhe. Diese werden nach der Sortierung nach Farben, Fasern und Qualität an Rohstoffverwerter verkauft, die daraus zum Beispiel Putzlappen machen.

Bis zu 15 Prozent der Waren, darunter Kleidung aus Mischgewebe, Glitzershirts oder beschichtete Textilien, landen im Müll. Apropos Müll. Für Roman Engelhart und sein Team sind nicht nur diese Materialien ein rotes Tuch. Denn oftmals fischt man aus Kleidercontainern auch getragene Windeln, tote Katzen, Hausmüll und Schnittgut: „Das Problem ist, dass der Einwurf anonym ist.“ Diese Abfälle müssen von der Arbeitsgemeinschaft auf eigene Kosten entsorgt werden. Summen von bis 15.000 Euro sind hier keine Seltenheit. 

Dennoch lässt sich das Team nicht unterkriegen, das im Jahr 2021 durch ihren unermüdlichen Einsatz 270 Tonnen an Spenden auf drei Kontinente verschicken konnte. Auch das ist eine enorme Zahl, auf die man stolz sein kann. 

Stefan Loeffler