Was kostet Klimaschutz? ​​​​​​​Ausgleich durch freiwillige Kompensation

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Was kostet Klimaschutz? ​​​​​​​Ausgleich durch freiwillige Kompensation

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Spätestens seit Paris und Glasgow ist klar: In Sachen Klimaschutz ist es bereits fünf nach zwölf. Nicht nur Regierungen, auch jede und jeder Einzelne muss jetzt handeln.

Um das 2° Ziel unter den aktuellen Voraussetzungen einzuhalten, reichen die Reduktion der Klimagase und neue Technologien längst nicht mehr aus. Die weltweite CO2-Bilanz erfordert zusätzliche Negativ-Maßnahmen wie das langfristige Speichern von CO2, nachhaltige Aufforstung oder eben die Kompensation durch klimawirksame Maßnahmen an anderer Stelle.

Was bei Flügen schon länger praktiziert wird, hat sich in anderen Lebensbereichen allerdings noch nicht durchgesetzt. Natürlich kann man in allen Bereichen der persönlichen CO2-Bilanz einen Ausgleich durch finanzielle Unterstützung geeigneter Projekte schaffen. Gut 11 Tonnen klimaschädliches CO2 verursacht jede*r Bundesbürger*in im Durchschnitt pro Jahr durch den hierzulande üblichen Lebenswandel. 0 bis 2 Tonnen dürften es maximal sein. Die größten Brocken entstehen durch Heizung und Strom, Mobilität, Ernährung und vor allem den Konsum. Wie es dabei um die eigene CO2-Bilanz bestellt ist, lässt sich im Groben schnell mit den im Internet reichlich angebotenen CO2-Rechnern feststellen, die den Verbrauch in unterschiedlichen Lebensbereichen unter die Lupe nehmen.

Einige Beispiele sind:

Zahlen statt Handeln?

Ist es überhaupt erstrebenswert, sich durch Kompensationszahlungen von den eigenen Klimasünden freizukaufen? Die beste Strategie ist sicher, CO2-Emissionen erst gar nicht entstehen zu lassen - durch Verzicht oder klimafreundliches Verhalten. Im Alltag bieten sich viele Einsparmöglichkeiten an, wie der Bezug von Ökostrom oder die Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr. Aber nicht überall ist das kurzfristig möglich. Oftmals bremsen z.B. schwerfällige Beschlüsse in Eigentümergemeinschaften oder die auf dem Land fehlende Infrastruktur die eigene Klimaschutzmotivation aus. Hier bietet die freiwillige Kompensation ein schnelles Mittel, um das Unvermeidliche ohne staatlichen Zwang auszugleichen.

Auch das Umweltbundesamt empfiehlt die Kompensation nur als letzte Möglichkeit und setzt als Prioritäten: Vermeiden > Verringern > Kompensieren. Doch Klimaschutz ist eine langfristige Aufgabe und muss für alle praktikabel sein. Beginnen Sie also nicht da, wo es am meisten weh tut.

Privater Zertifikate-Handel – so funktioniert‘s

In der Regel sollen einzelne, klimaschädliche Produkte oder Aktivitäten wie eine Flugreise oder ein neues Elektrogerät kompensiert werden. Dazu muss möglichst genau die Menge an CO2-Äquivalenten festgestellt werden, die dadurch freigesetzt wird. Die meisten Kompensationsplattformen bieten dafür eigene Rechner an. In entsprechender Höhe können dann Zertifikate aus Klimaschutzprojekten gekauft werden. Diese fördern beispielsweise den Ausbau erneuerbarer Energien, das Recycling, nachhaltige Landwirtschafts- und Aufforstungsprojekte oder die Wiedervernässung von Mooren, um CO2 dauerhaft zu binden. Man sollte bei den Anbietern auf eine transparente, nachvollziehbare Berechnung achten. Der Preis für ein Zertifikat (= 1 t CO2) kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen, je nach Größe und Region des Projekts. In ärmeren Ländern lässt sich meist mit den gleichen Beträgen eine höhere Wirkung erzielen.

Entscheidende Kriterien bei der Zertifikatauswahl sind die „Zusätzlichkeit“, d.h. dass die Emissionsminderung nachweislich nicht auf anderem Weg erzielt werden kann und die „Dauerhaftigkeit“ der CO2-Minderung. Letzteres ist z.B. bei der Anpflanzung von Klimawäldern nicht automatisch gesichert, da mögliche Brände das gebundene CO2 wieder freisetzen könnten. In jedem Fall ist ein beglaubigter Löschnachweis für das Zertifikat erforderlich, damit es nicht mehrfach verkauft werden kann.

Beipiele

Die Organisation atmosfair konzentriert sich als einer der bekanntesten Anbieter vor allem auf die Kompensation von Flugreisen. Auf dem sehr übersichtlichen und leicht bedienbaren Portal lässt sich der CO2-Ausstoß schnell ermitteln. Abgefragt werden dabei neben dem Ziel auch der Flugzeugtyp und die genaue Flugroute. In einem Schritt werden dann die Emissionen berechnet, mit verschiedenen Zielwerten verglichen und der Preis ermittelt. Neben der Kompensation bietet atmosfair auch Anregungen für die CO2-sparende Urlaubsplanung, die Auswahl der klimafreundlichsten Fluggesellschaft und erläutert die einzelnen unterstützten Projekte. Für eine Tonne CO2 (entsprechend ca. 5.000 - 7.000 Flugkilometern) werden momentan 23 Euro fällig.

Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland sind deutlich teurer. Die Initiative MoorFutures beispielsweise bietet CO2-Zertifikate aus der Renaturierung von Hochmooren an. Für die Projekte in Brandenburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat MoorFutures spezielle Methoden entwickelt, um die CO2-Wirkung nachzuweisen. Das deutsche Umweltrecht erleichtert die Kontrollierbarkeit von heimischen Projekten, allerdings ist das vergleichsweise geringe Gesamtpotenzial der Klimawirksamkeit in den bisher drei Projekten fast ausgeschöpft. Auch moorfutures.de bietet einen Klimarechner an und beschreibt die Projekte detailliert. Für ein Zertifikat werden derzeit 64 Euro berechnet.

Anbieter von Klimazertifikaten sind zahlreich. Als Privathaushalt sollte man dabei eine gemeinnützige Organisation den kommerziellen Anbietern vorziehen. 2018 bewertete Stiftung Warentest die Plattformen atmosfair (Platz 1), Klima-Kollekte (2), PrimaKlima (3) und myclimate (4) am besten. Häufig wird auch beim Kauf bereits die Kompensation mit angeboten, etwa bei Reiseveranstaltern und Druckereien. Auch da gilt allerdings: Die Berechnung sollte transparent und nachvollziehbar sein.

Das alles erscheint Ihnen zu kompliziert oder abstrakt? Kein Problem. Überall lassen sich auch auf lokaler Ebene Möglichkeiten finden, sich finanziell oder ehrenamtlich in klimarelevanten Projekten zu engagieren. Nachhaltige Initiativen wie Warentausch oder Reparaturcafés helfen, Dinge länger zu nutzen und damit große Mengen CO2 für die Herstellung von Konsumgütern einzusparen. Eine Auswahl von Ulmer Organisationen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, finden Sie unter agzente.de/klimaschutz-ganz-konkret. Viele davon haben sich gerade zum „Ulmer Klimabündnis“ zusammengeschlossen.


Diese Standards helfen bei der Auswahl seriöser Projekte

Clean Development MechanismClean Development Mechanism (CDM)
Das weltweit größte Instrument für Erzeugung und Handel von zertifizierten Gutschriften aus Klimaschutzprojekten. Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen können die Zertifikate erwerben. Ein unabhängiger Aufsichtsrat bestimmt die Vollzugsregeln und entscheidet über die Ausstellung der Zertifikate.

Verified Carbon StandardVerified Carbon Standard (VCS)
Der 2005 ins Leben gerufene VCS wird von der Nichtregierungsorganisation Verra getragen und ist der weltweit am meisten verwendete Standard zur freiwilligen Kompensation von Treibhausgasemissionen. Über die Hälfte der globalen Transaktionen in diesem Bereich werden derzeit nach dem VCS zertifiziert.

Gold StandardGold Standard
Der 2003 vom WWF und anderen Umweltverbänden entwickelte Gold Standard berücksichtigt neben der Klimawirksamkeit auch soziale und Umweltaspekte, die zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen. Er wird als Zusatzstandard bei UN-registrierten Projekten verwendet.

Moor FuturesMoorFutures
Eine relativ junge, deutsche Initiative, die Zertifikate für die Renaturierung von Mooren ausgibt. Sie hat ein eigenes Regelwerk entwickelt. Die Projekte werden durch einen wissenschaftlichen Beirat geprüft und begleitet.

Weitere Zusatzstandards wie der Social Carbon Standard u.a. weisen darüber hinausgehende positive Effekte im sozialen und ökologischen Kontext aus.

Thomas Dombeck