Wie künstliche Intelligenz unsere Arbeitsplätze verändert

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Wie künstliche Intelligenz unsere Arbeitsplätze verändert

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Die Befürchtung, dass langfristig intelligente Maschinen unsere Gesellschaft dominieren, erscheint aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Denn Computer sind schlicht nicht intelligent, sondern spielen Intelligenz nur vor, indem sie souverän mit sehr großen Datenmengen hantieren. Sicher wird künstliche Intelligenz (KI) aber Einfluss auf unsere Arbeitswelt gewinnen. Ob sie uns bei Routineaufgaben entscheidend entlasten oder bestimmte Arbeitsplätze ganz ersetzen kann, werden die nächsten Jahre zeigen. Vor allem braucht es dazu Mut und den Willen der Leitungsebene, in der Privatwirtschaft ebenso wie in der Verwaltung. Die Stadt Ulm geht dabei mit großen Schritten voran.

Wie spricht man eine künstliche Intelligenz an? Ich versuche es mal direkt: „Schwätsch du au schwäbisch?“ Prompt kommt die Antwort: „Ja freilich, i schwätz au Schwäbisch! I bin der Ulmer Spatz, der Chatbot von Ulm. Wenn du Froga hosch, nur raus damit!“ Damit beweist der neue Online-Assistent „Ulmer Spatz“ schon mal Bürgernähe. Natürlich spricht der Chat-Bot der Stadt standardmäßig hochdeutsch, neben derzeit 18 weiteren Sprachen. Außerdem lässt sich noch der Sprachstil wählen. Der Modus „Billie Eilish“ etwa liefert Antworten in Jugendsprache.

„KI darf auch Spaß machen,“ meint dazu Verena Till, Projektleiterin bei der IT-Abteilung der Stadt. Sie hat das Projekt „Ulmer Spatz“ koordiniert. Für eine Verwaltung ging es ungewohnt schnell. „Im März 2024 haben wir den Auftrag vergeben und am Schwörmontag ging der Bot bereits Online.“ Das initiale „Anlernen“ der KI laufe weitgehend automatisch ab, mehr Zeit sei dann aber in die Optimierung zu stecken. Dabei lassen sich genaue Regeln definieren, etwa welche datenschutzrelevanten Fragen nicht beantwortet werden oder dass ein bestimmter Umgangston gewahrt wird.

Ganz rund lief es anfangs noch nicht, kurz nach dem Start hatten Stimmen aus dem Gemeinderat eine sofortige Abschaltung gefordert, weil es Fehlinformationen gab. Das habe sich aber inzwischen herausgewachsen, meint Till. Der „Ulmer Spatz“ verbessert sich selbstständig durch maschinelles Lernen. Je mehr Wiederholungen bestimmter Fragestellungen, desto präziser werden die Antworten.

Geballtes Wissen

Dahinter steckt die Turbo-KI von GPT 4.0, die auch für die Plattform chatGBT benutzt wird. Die Entwickler*innen des Ulmer Startups YOUniquehorns nutzen dafür eine entsprechende Schnittstelle (API) des GPT-Anbieters OpenAI. „Das Large Language Model von GPT 4.0 bringt bereits das geballte Wissen des Internets sowie alle gängigen Sprachen mit“, sagt der bei YOUniquehorns Verantwortliche Benjamin Steinvorth, „allerdings nicht sehr in die Tiefe gehend.“

Um präzise Antworten auf Fragen nach Ämtern und Öffnungszeiten, Zuständigkeiten oder aktuellen Ereignissen in der Stadt Ulm zu geben, wurde der Bot mit den Daten von ulm.de sowie weiteren internen Quellen gefüttert. So behält man die Kontrolle über den Inhalt. Gehen die Fragen darüber hinaus, werden auch andere Quellen angezapft. Woher die Information stammt, wird jeweils angegeben, sodass man an entsprechender Stelle weiter recherchieren kann.

Was bringt uns die KI?

In diesem Fall liegen die Vorteile einer KI auf der Hand: Statt sich mit Suchmaschinen mühsam durch den Informationsdschungel zu hangeln, liefert ein guter Chatbot schnell einen strukturierten Überblick zu einer speziellen Fragestellung. Und er reagiert auf Nachfragen, lernt dadurch stetig dazu. Im Fall des GPT-Modells wird auch die Übersetzung in fast jede gängige Sprache sowie in „leichte Sprache“ im Sinne der Barrierefreiheit öffentlicher Information mitgeliefert.

Die derzeit häufigsten KI-Anwendungen basieren auf „Large Language Models“ (LLM), Algorithmen die auf die Erkennung von Mustern in großen Textmengen trainiert werden. Sie verstehen die Bedeutung der menschlichen Sprache, können eigenständig Texte generieren und mit Menschen kommunizieren. Das macht sie besonders für Wissensberufe interessant, die mit großen Mengen von Information umgehen müssen und viel Recherchearbeit leisten. Auch das Verfassen von Rechtsdokumenten, Handbüchern oder Berichten kann durch LLMs erheblich erleichtert werden.

Die deutsche Verwaltung strebt vor allem nach Rechtssicherheit. Ein Beispiel, warum Vieles so lange dauert, ist das komplizierte öffentliche Vergaberecht. Ausschreibungen etwa für Straßenbauprojekte konform zu den europäischen und nationalen Bestimmungen wasserdicht zu verfassen, erfordert eine Menge Wissen und dauert vor allem lange. Hier hofft man auf die Unterstützung von KI-Systemen. Dank maschinellen Lernens aus bereits erfolgten Verfahren könnten kritische Punkte schneller erkannt und Vergabe-Entscheidungen deutlich einfacher und objektiver getroffen werden.

Weitere hilfreiche Anwendungen werden vor allem im Kundenservice erwartet. Überall, wo häufig ähnliche Anfragen gestellt werden, kann eine KI vorsortieren und selbst Antworten generieren. Gestressten Servicemitarbeiter*innen sollte damit ein Großteil der Routine-Gespräche erspart bleiben. Bei der Stadt Ulm steht außerdem „Albert“ in den Startlöchern. Das nach dem Ulmer Universalgenie benannte LLM wird künftig den Mitgliedern des Gemeinderats bei der Sichtung der umfangreichen Sitzungsunterlagen assistieren, um sich schneller einen Überblick zu verschaffen. Entscheiden werden nach wie vor die Rät*innen selbst, allerdings besser informiert. Damit spielt Ulm deutschlandweit als KI-Pionier unter den Städten ganz vorne mit.

Zuverlässigkeit und Datenschutz

Die Anwendung von KI in der öffentlichen Verwaltung wird aus Sicht des Datenschutzes häufig in Frage gestellt. Die hohen Standards der Europäischen Datenschutzrichtlinie zu erfüllen, war deshalb einer der zentralen Aspekte bei der Entwicklung des GPT-basierten Produkts „BotBucket“ des Ulmer Unternehmens YOUniquehorns. So werden keinerlei Daten außerhalb der EU verarbeitet und personenbezogene Daten nur mit entsprechenden Einschränkungen ausgegeben.

Klickt man beim „Ulmer Spatz“ auf den kleinen Info-Button, gibt es eine umfangreiche Beschreibung, was man von ihm erwarten kann und was nicht. Beispielsweise sagt er über sich: „Manchmal kann es passieren, dass ich Informationen erfinde oder halluziniere. Das liegt daran, dass ich auf Wahrscheinlichkeiten basiere, um die nächste passende Antwort zu generieren, und nicht immer Zugriff auf aktuelle oder korrekte Informationen habe.“ Das sagt im Wesentlichen schon aus, was im Umgang mit KI zu beachten ist. Meist sind die Informationen richtig, manchmal aber auch nicht. Besser, man prüft das nochmal nach. Teilweise entsprechen die Antworten des Bots noch nicht dem aktuellsten Stand, wie etwa bei der Frage nach der Legalisierung von Cannabis oder der aktuellen Zusammensetzung des Ulmer Gemeinderats.

Vorsicht bleibt also geboten. „Gerade als Entwickler möchte ich betonen, dass man von einer KI generiertes Wissen immer kritisch hinterfragen sollte“, gibt der Ulmer Entwickler Steinvorth zu bedenken. Immerhin 97 % korrekte Antworten liefert der „Ulmer Spatz“ nach Aussage seines Unternehmens aktuell. Doch falsche oder veraltete Informationen herauszufiltern, verlangt ein hohes Maß an Informationskompetenz von den Anwender*innen. Dies wird künftig eine wichtige Schlüsselqualifikation in unserer Gesellschaft sein.

Thomas Dombeck