Regio-S-Bahn: Strecken ausbauen und elektrifizieren

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Regio-S-Bahn: Strecken ausbauen und elektrifizieren

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Dr. Oliver Dümmler ist Geschäftsführer für das Projekt beim „Regio-S-Bahn Donau-Iller e.V.“. Als Stadt- und Verkehrsplaner promovierte er über Verkehrsverbünde und hat zuvor bei kommunalen und Eisenbahnverkehrsunternehmen gearbeitet. Seit Mitte 2016 leitet er nun die Geschäftsstelle des RSB-DI Vereins. Mit agzente-Redakteur Thomas Dombeck sprach er über die Ziele der Regio-S-Bahn Donau-Iller.

Die Region Ulm/Neu-Ulm/Donau-Iller soll auf bestehenden Strecken ein regionales S-Bahn System erhalten, um den Schienenverkehr attraktiver zu machen. Da die Länder Bayern und Baden-Württemberg anfangs wenig Interesse zeigten, gründeten die betroffenen Kreise und Gemeinden 2015 einen grenzübergreifenden Verein, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die Planungen voranzutreiben. Inzwischen läuft eine Wirtschaftlichkeitsstudie, die bei positivem Ergebnis eine weitreichende Finanzierung des Bundes eröffnet.

Herr Dümmler, das Regio-S-Bahn Konzept (RSB) wird seit rund 10 Jahren diskutiert. Wie ist der Stand aktuell?
Wir sind letztes Jahr schon auf den bayerischen Strecken, mit der RS7 nach Memmingen und der RS71 nach Weißenhorn gestartet. In Baden-Württemberg wird der Begriff „Regio-S-Bahn“ mit dem Fahrplanwechsel Ende dieses Jahres ebenfalls eingeführt. Mit der Sichtbarkeit in den Fahrplänen ist der Grundstein für das Projekt und die Etablierung der Marke „Regio-S-Bahn“ schon mal gelegt.

Ein S-Bahn-Netz haben ja viele Großstädte. Was ist dagegen die Besonderheit einer Regio-S-Bahn?
Man kennt S-Bahn-Systeme vorwiegend aus den großen Metropolregionen wie München, Stuttgart, Frankfurt… Dort werden diese in einer ganz anderen Dimension und mit anderen Zielen ausgebaut als bei uns. Wir können uns damit schlecht vergleichen, da wir einen anderen Ansatz haben, der ja auch ländliche Räume erschließen soll. Als bescheidene Schwaben stufen wir uns mit der Bezeichnung Regio-S-Bahn etwas darunter ein.

Das Konzept basiert weitgehend auf einer bereits bestehenden Schieneninfrastruktur. Was ändert sich konkret?
Unser Ansatz ist, zunächst das bestehende Streckennetz zu betrachten und zu ermitteln, welche Verbesserungen bereits jetzt umsetzbar sind. Dazu gehören etwa kürzere Taktzeiten, mehr Fahrten, höhere Kapazitäten und natürlich auch der Wunsch nach besseren und moderneren Fahrzeugen. Auf verschiedenen Strecken haben die Bundesländer durch neue Verkehrsverträge mit den Betreibern bereits die Fahrzeuge ausgetauscht, wie z.B. bei der Brenz- oder der Donaubahn. Die ab Ende 2021 neu elektrifizierte Südbahn (Richtung Aulendorf) wird erstmal mit gebrauchten Elektrozügen starten. Aber wenigstens können die Dieselfahrzeuge abgelöst werden. In rund fünf Jahren schreibt das Land die Strecke dann neu aus, und wir werden auch auf dieser Strecke neuere Fahrzeuge sehen.

Auch neue Betreibergesellschaften?
Mittlerweile ist eine europaweite Ausschreibung rechtlich vorgeschrieben, auf die sich jedes geeignete Eisenbahnverkehrsunternehmen bewerben kann. Da ist es natürlich auch möglich, dass neue Partner in die Region kommen.

Auf welchen Streckenabschnitten entspricht der Ausbau schon jetzt den Anforderungen der RSB?
Wir haben für alle sechs Strecken eine klare Zielvorstellung hinsichtlich der Linien und Taktzeiten entwickelt. Diejenigen Strecken, die schon zweigleisig und elektrifiziert sind, ermöglichen die Verwirklichung dieser Ziele kurz- bis mittelfristig. Das betrifft vor allem die Südbahn, die Ende dieses Jahres fertig werden soll und dann unsere RSB-Stammstrecke wird. Die Illertalbahn ist zwischen Ulm und Memmingen dagegen fast durchgehend eingleisig. Es gibt an den bestehenden Bahnhöfen zwar Ausweichstellen, aber dort müssen die Züge anhalten und den Gegenzug vorbeilassen. Da lässt sich der Takt nicht ohne weiteres verdichten. Dazu brauchen wir einen zweigleisigen Ausbau, um weniger Standzeiten und höhere Reisegeschwindigkeiten zu erreichen. Wir schätzen, dass wir für diesen Ausbau mit 8-10 Jahren rechnen müssen. Erste kleinere Verbesserungen können wir aber schon jetzt umsetzen.

Wäre es angesichts des hohen Aufwands für die Streckenelektrifizierung nicht sinnvoller, auch auf alternative Antriebstechniken wie den Wasserstoffzug zu setzen?
Unser vorrangiges Ziel ist die Verbesserung des Angebots für unsere Fahrgäste. Die zweite Priorität ist dann, die beste Antriebsart für dieses Ziel zu finden. Dazu haben wir Testrechnungen für unsere Strecken durchführen lassen. Wir haben dabei festgestellt, dass Wasserstoff- oder Akkuhybridfahrzeuge oft nicht so leistungsfähig sind wie vergleichbare Elektro- oder Dieselfahrzeuge, auch weil sie mehr Technik an Bord haben und damit schwerer sind. 

Außerdem gibt es ein aktuelles Gutachten im Auftrag der Bayerischen Eisenbahn Gesellschaft (BEG), welche Antriebe für welche Streckenarten am besten geeignet sind. Dieses besagt eindeutig, dass die alternativen Antriebsarten vor allem für Stichstrecken, auf denen einmal stündlich Züge pendeln, in Frage kommen. Sobald  eine Strecke einen höheren Takt mit mehr Fahrten aufweist, ist es wirtschaftlicher, die Strecke selbst auszubauen und zu elektrifizieren, statt die gesamte Technik in die Züge zu packen. Dazu kommt, dass wir auf unseren Strecken, wie der Illertalbahn, auch noch Güter- und z.T. Fernverkehr haben, die von der Elektrifizierung ebenfalls profitieren.

Abgesehen von den Streckenkapazitäten, ist der bereits jetzt enge Ulmer Hauptbahnhof als Knotenpunkt der RSB ausreichend groß?
Als vor rund 10 Jahren erste Studien zur RSB liefen, ist man dieser Frage auch schon nachgegangen. Die Deutsche Bahn war damals der Meinung, dass die bestehenden Bahnsteige  auch für die Abwicklung des RSB-Verkehrs ausreichen und ein Ausbau nicht notwendig sei. Dies wurde auch in einem Spitzengespräch des damaligen OB Gönner mit Bahnchef Grube so dargestellt.

Mittlerweile haben sich die politischen Rahmenbedingungen, z.B. durch die Einführung des Deutschlandstakts im Fernverkehr, stark verändert, so dass man den Ulmer Hauptbahnhof heute sicherlich neu bewerten muss. Das hat die Bahn inzwischen auch in Gang gesetzt, und wir sind gespannt auf die Ergebnisse. Es ist damit zu rechnen, dass man einen weiteren Bahnsteig brauchen wird, um das Mehr an Fahrten im Nah- und Fernverkehr zu realisieren. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn man diesen schon im Zuge des jetzigen Umbaus für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm mit berücksichtigt hätte.

Welche Zukunftsvision haben Sie für die nächsten 10 Jahre?
Dass wir ein wirklich gutes, elektrisches Regio-S-Bahn Netz mit attraktiven, barrierefreien Fahrzeugen und entsprechend modernisierten Stationen haben werden. Dazu brauchen wir auch gute Schnittstellen zu den anderen Verkehrsmitteln, sodass man auch in der Region, z.B. in Senden oder Blaubeuren, optimal auf die Busse umsteigen kann. So entsteht ein attraktives Gesamtangebot für eine umweltverträgliche Mobilität.

Viel Erfolg und vielen Dank für das Interview!

Thomas Dombeck