Akzeptanz durch Vielfalt

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Akzeptanz durch Vielfalt

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Dialog ist wichtig. Denn eine aktive und engagierte Stadtteilarbeit wirkt sich auch positiv auf die Entscheidungen am Ratstisch aus. Im besten Fall. Wir sprachen mit Bürgermeisterin Iris Mann über die Zusammenarbeit mit den Regionalen Planungsgruppen RPG, Stadtteilkoordination und weshalb das Engagement jedes Einzelnen gut für uns alle ist.

Bürgermeisterin Iris Mann (Foto: S. Loeffler)Frau Mann, das Dialogmodell feiert sein 25-jähriges Bestehen. Ist es ein Erfolgsmodell?
Es ist eine große Bereicherung für Ulm, denn ich erlebe das Dialogmodell als Element, das die lokale Demokratie der Stadt stärkt. Und das ist ein ganz wichtiges Moment. In einer Kommune kann man an den Wurzeln am meisten bewirken. Durch den Dialog mit der Stadtpolitik und Solidarität mit ihrem Stadtteil spüren die Menschen, dass sie Dinge bewegen und ihr Wohn- und Lebensumfeld  nach ihren eigenen Vorstellungen verändern, bzw. verbessern können.   

Ein wichtiges Instrument für die Stadtteilarbeit sind die Regionalen Planungsgruppen. Gibt es hier oftmals Berührungspunkte mit Ihrem Büro? 
Wir arbeiten in zwei Richtungen zusammen. Zum einen setzen wir uns von der Verwaltung mit den RPGs in Verbindung, um Expertisen oder Stimmungsbilder einzuholen über Aktivitäten, die in den jeweiligen Stadtteilen geplant sind. Andererseits wenden sich die Regionalen Planungsgruppen immer wieder mit Ideen an uns, um Themen auch für den Gemeinderat auf die Agenda zu setzen.  

Wie nehmen Sie die Arbeit der RPGs wahr? 
Die RPGs sind wichtige Experten in den Belangen des jeweiligen Stadtteils, denn sie kennen die Bedürfnisse und Befindlichkeiten vor Ort und vertreten diese entsprechend gegenüber Gemeinderat und Verwaltung. Zeitgleich muss man natürlich in der Praxis immer wieder hinterfragen, wie das Modell gelebt wird und ob es den Regionalgruppen auch gelingt, immer parteipolitisch unabhängig und offen für die gesamte Bürgerschaft zu agieren. Das ist den Mitgliederinnen und Mitgliedern der RPGs aber sehr bewusst. 

Hat sich die Arbeit der Regionalgruppen in den vergangenen Jahren verändert?
Die Stadtgesellschaft ist bunter und die Interessen sind vielfältiger geworden in den vergangenen Jahren. Da ist es schon eine echte Herausforderung, diese Vielfalt in den RPGs abzubilden und sichtbar zu machen. Stichwort Integration. Vielleicht ist es für Menschen aus anderen Kulturkreisen oftmals ungewöhnlich in diesen Strukturen mitzuarbeiten. Diese Themen werden wir auf einer gemeinsamen Klausurtagung im Rahmen des Jubiläums im Sommer ganz sicher diskutieren. 

Welche wichtige Rolle spielen die Stadteilkoordinatorinnen – und koordinatoren heute in der Stadt?
Sie sind Ansprechpersonen in den Quartieren, haben eine Schnittstellen-Funktion zur Verwaltung. Sie geben den Menschen in den Stadtteilen Orientierung, koordinieren und beleben dieses feingliedrige Netzwerk der Stadtteilarbeit, an dem die unterschiedlichsten Akteure beteiligt sind. 

Bei welchen Punkten wünschen Sie sich noch mehr bürgerschaftliches Engagement?
Wir in Ulm können uns über ein sehr großes Maß an bürgerschaftlichem Engagement freuen – und dies auf den unterschiedlichsten Ebenen und in den verschiedensten Formen. Es gibt Menschen, die sich im politischen Prozess einbringen, andere sind zum Beispiel in Vereinen oder Blaulicht-Organisationen aktiv. Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen, da dadurch der Zusammenhalt innerhalb einer Gesellschaft deutlich gesteigert wird. 

Wie kann dieser Schulterschluss noch gelingen? 
Immer da, wo man miteinander in Kontakt ist, sich kennt und eine Verbundenheit spürt, entsteht ein ganz besonderes Gemeinschaftsgefühl. Ganz aktuell spürt man das im Moment bei allem, was rund um die Geflüchteten aus der Ukraine geschieht. Diese Vielfalt der Aktivitäten ist eine Chance, möglichst viele Menschen anzusprechen. 

Können hier auch Vereine mitwirken?
Ich gebe zu, dass ich mich ein bisschen um die Vereine sorge, die vor Corona für viele Halt und Stütze waren. Nun gilt es verlorengegangene Mitglieder zurückzugewinnen. Denn wir alle wissen, welche schlimmen Folgen Vereinsamung haben kann – für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft.

Weshalb ist eine lebendige Bürgerbeteiligung für eine Stadt wie Ulm so wichtig?
Bürgerschaftliches Engagement steht ja immer im Spannungsfeld zwischen Einzelinteresse und dem Gemeinwohl. Beides sind vollkommen legitime Motivationen, um aktiv zu werden. Wenn wir diese Mischung unterstützen, kann sich eine Vielzahl an Interessen zeigen. Und diese Vielfalt ist ganz einfach wichtig für die Akzeptanz des Zusammenlebens. Wir erreichen viel, wenn es uns gelingt diese Unterschiedlichkeit, die wir alle mitbringen, sichtbar und für alle erlebbar zu machen. Denn allem, was wir Menschen nicht kennen, begegnen wir erst einmal mit Misstrauen. Doch nur durch ein gutes Miteinander kann die Lebensqualität in unserer Stadt gesteigert werden.

Die Fragen stellte Stefan Loeffler