So groß kann klein sein
Die Gärten werden immer kleiner. Heutzutage kleben Häuser in Siedlungen so eng zusammen wie am Strand von Rimini. Sogenannte Handtuchgärten - politisch gewollt, wegen des Flächenfraßes, individuell oft notgedrungen, sind doch die Quadratmeterpreise in die Höhe geschossen. Doch kleine Gärten sind auch was Tolles. Sie machen weniger Arbeit und können sich als schnuckeliges Paradies entpuppen. Wie? Das verrät die gelernte Gärtnerin und Landschaftsarchitektin Katja Richter in ihrem neuen Buch „Kleine Gärten gekonnt gestalten - so groß kann klein sein“.
Damit der Kleine groß raus kommt, sei es wichtig, dass - wie bei großen Gärten auch - bei der Planung an die Sichtachsen gedacht wird. Katja Richter warnt aber vor Fehlern wie diesem: „In einem schlauchartigen Garten wirkt die Betonung der längsten Achse manchmal unproportioniert. Es fehlt an Breite und der Blick durchquert den Garten wie auf einer Autobahn.“ Es sei geschickter, den Blick abschnittsweise durch den Garten zu führen. Wenn man beim Durchschreiten des Gartens auch mal die Laufrichtung ändern müsse, also etwa mal eine Kurve gehen oder mal rechts abbiegen müsse, dann wirke der Garten interessanter und auch größer. Außerdem sollten einzelne Schrittplatten mit Gras oder Kies dazwischen als Weg gewählt werden anstelle eines Weges, Platte an Platte. Gerade in einem kleinen Garten: befestigte Flächen reduzieren.
Oft denkt man, wenn man schon wenig Platz hat, dann bloß nicht so viel rein, um den Garten nicht voll zu stopfen. Aber es ist ein Irrtum: Man muss nicht sein ganzes Reich von der Terrasse aus überblicken können. Katja Richter meint, das könne Langeweile erzeugen. „Wenn alles gleich zu erfassen ist, gibt es weniger Ansporn, den Garten hin und wieder zu erkunden (…).“ Schon alleine, wenn die Ränder organisch, unregelmäßig geschwungen bepflanzt seien, mit Sträuchern und Kleingehölzen, dann empfinde das Auge Größe.
Damit der Garten nicht überladen aussieht, hat die Gartenarchitektin auch ein paar Tricks parat. Die Einfassung einer Stützmauer oder eines Hochbeets kann, mit einem Brett versehen, als Sitzgelegenheit dienen. Auch mit Farbtönen kann man die Illusion von mehr Weite erzeugen. Helle Farben, wie Pastelltöne, Lila, Hellblau und Weiß, sollten im Hintergrund gepflanzt werden. Auch Pflanzen mit hellen Blättern.
Doch wer einen kleinen Garten hat, ist meist auch näher an den Nachbarn dran. Kann schön sein, aber manchmal, selbst bei guter Nachbarschaft, auch stören. Zum Beispiel, wenn man ständig von einem flackernden Flachbildschirm abgelenkt wird. Der eigene Garten ist der persönliche Rückzugsort, in den man sich vom Alltagsstress zurück ziehen will. Solche geschützten Bereiche muss man sich bewusst schaffen. Etwa durch Lärm- und Sichtschutz. Neben Hecken, oder Wänden aus Holz, Glas oder dem angesagten, rostroten Cortenstahl ist auch eine grüne Wand als Sichtschutz schön. Die einfachste Variante ist ein Drahtgeflecht, an dem Kletterpflanzen emporranken können. Katja Richter sagt: „Auch ein am Spalier gezogener Obstbaumfächer bietet eine schöne, etwas transparente Sichtbarriere, die mit dem Frühlingsblütenrausch nicht nur Insekten erfreut und im Herbst Obst ernten lässt.“
Gleichzeitig sollte es in einem kleinen Garten mindestens einen Extra-Sitzplatz zum Auftanken und Ruhen geben - oder um einen Sundowner mit der Freundin zu trinken. Katja Richter: „Dafür braucht es nicht viel Platz, eher Fingerspitzengefühl, in welchem Winkel Ihres Gartenreichs eine angenehme entspannende Atmosphäre herrscht. Lassen Sie sich ruhig von Ihrem Gefühl leiten und beobachten Sie, wo es Sie in Ihrem Tagesverlauf immer wieder ganz spontan hinzieht. Wo stellen Sie sich regelmäßig einen Stuhl hin, weil gerade da die richtige Menge an Sonne oder Schatten herrscht?“ Dabei unterscheidet die Autorin in Sitzplätze mit unterschiedlichem Charakter: etwa See, Höhle, Insel oder Hafen.
Wer eh schon wenig Platz hat, für den ist es natürlich umso ärgerlicher, wenn die Mülltonnen auf dem Grundstück auch noch ihren Platz brauchen. Hier rät Katja Richter dazu, mit Holzpflählen einen einfachen Unterstand zu bauen, sodass auf der Oberseite des Unterstands ein Gründach oder sogar ein Kräuterbeet angelegt werden kann.
Und noch so etwas, das nie hinterfragt wird: Die Terrasse muss laut Katja Richter nicht immer parallel zur Fassade sein. „Je nach Sonnenverlauf ist eine abgewinkelte Veranda vorteilhaft, wenn ich so einen schöneren Blick aufgreifen kann oder mehr Sonne respektive besseren Schatten bekomme.“
Auch einen sogenannten Hausbaum sollte jeder kleine Garten haben, sagt die Gartenarchitektin. Und zwar nicht nur, um ein schattiges Plätzchen zu schaffen, wegen der Tiere, die darin leben können und weil so ein Baum Schadstoffe filtert. Sondern auch, weil so ein mit viel Besonnenheit gewählter Hausbaum ein ganz persönlicher Freund durch die Jahreszeiten sein kann. An ihm kann man den Lauf der Monate ablesen. Vielleicht ist es am Ende der Baum, der an die eigene Kindheit erinnert? Oder der mit dem Lieblingsobst? Vielleicht ist es auch der Baum, geschenkt zum Hochzeitstag oder zur Geburt des Kindes, der sich dann genau zu diesem Zeitpunkt jedes Jahr von seiner besten Seite zeigt?
Apropos Kinder. Es muss nicht in jedem Garten ein Riesentrampolin stehen. Ein Freizeitpark für Kinder kann anders aussehen und mehr Abenteuerfreude bieten. Auch auf kleinem Raum. Wichtig sei es, flexibel zu bleiben, denn „zu schnell verändern sich kindliche Bedürfnisse“. Für Kleinkinder reicht oft eine kleine Buddelkiste mit Sand, die dann später in ein Staudenbeet verwandelt werden kann. Ältere Kinder können auf der an einem dicken Ast befestigten Schaukel schaukeln, die dann leicht abgenommen werden kann, oder sich hinter ein paar Beerensträucher ein kleines Versteck bauen. Ein Geräteschuppen dient als Häuschen, um das Erwachsenenleben nachzuspielen. Auch ein Baumhaus, auf das man hochklettern muss, vielleicht mit einer Strickleiter, und von dem man mit einem Tarzanseil oder auf einer Rutsche wieder herunter kommt, ist spannender als jedes einbetonierte Klettergerüst. Auch für Erwachsene. Nicht erst nach dem Sundowner.
Isabella Hafner
„Kleine Gärten gekonnt gestalten - So groß kann klein sein“
Katja Richter, Ulmer Verlag, erschienen 2022, 127 Seiten, 18 Euro.
Interessant sind auch die Nachhaltigkeitstipps nach jedem Kapitel.