Die Kleinstadt in der Stadt
„Am Eselsberg da oba, gibt’s lauter nette Leut, Reig’schmeckte und viele Schwoba und älle senget heit: Am Eselsberg ben i dahoim, er isch von Ulm a Stück. Mor sieht so weit aufs Münster nei ond b’hält da Überblick.“ Die erste Strophe der Hymne des Ulmer Eselbergs schwört die Bewohnerinnen aufeinander ein.
Fast 19.000 Menschen wohnen in dieser „Kleinstadt“ am Hang. In den weiteren Strophen geht es darum, dass sie dort ja alles haben: Bäcker, Metzger, Banken, Schulen, zwei Kirchen, Grünanlagen, gute Luft, allerlei Ulmer Prominenz (Anm. d. Redaktion: auch der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch ist ein Eselsberger. „Bis Blaustein standet Heiser ganz weit ond dicht beinand, vom Kuhberg sieht es fascht aus wie Schwäbisch Griechenland.“
Edgar Winter ist einer der Sprecher der Regionalen Planungsgruppe. Und kann es kaum erwarten, dass er bald in seinen Reden nicht mehr süffisant sagen muss, dass der Eselsberg zwar nur der zweitgrößte Ulmer Stadtteil ist, aber der wichtigste sei. Wegen der Wissenschaftsstadt und den Kliniken. Wenn das Wohngebiet „Am Weinberg“ bald auf dem alten Gelände der Hindenburg-Kaserne dazu wächst, dann sind es mehr als 2000 Menschen mehr. Und damit ist der Eselsberg mit rund 21.000 Einwohnern endgültig der größte Stadtteil, größer sogar als die Kreisstadt Günzburg. Dass das Wohngebiet „Am Weinberg“ keine „Mannhatten-Bebauung“ bekommt sondern sich die Geschosse an die Umgebung anpassen - dafür hat sich die Planungsgruppe eingesetzt.
Es gibt ein altes Foto im Eselsberg-Foto-Archiv, das zeigt, wie die Glocken für die 1957 eingeweihte Evangelische Lukaskirche festlich auf einem Wagen heran transportiert werden. Edgar Winter stolz: „Da bin ich als fünfjähriger Bub drauf zu sehen.“ Er ist ein Eselsberger Original und mit dem Stadtteil stark verwoben, der früher aus den sogenannten Söflinger Weinbergen bestand. Weshalb viele Menschen heute dort in Straßen wohnen, die Trollinger-Weg oder Riesling-Weg heißen. Oder eben plump: Weinbergweg. Die Söflinger fuhren mit ihren Eselskarren zur Weinlese auf ihre Weinberge hoch (der Wein war angeblich aber sehr sauer…).
Das Zentrum des Eselsberg ist die „Ladenzeile“. Unter anderem mit einem Supermarkt. Es gibt einen Innenhof, in dem seit ein paar Jahren donnerstags ein Wochenmarkt stattfindet. Edgar Winter: „Den hat unsere Planungsgruppe angeschoben. Er wird toll angenommen und hat sich zu einem richtigen Treffpunkt entwickelt. Wenn Sie dort auf dem Markt sind, denken Sie, sie seien auf dem Dorf.“ Der Markt sei auch deshalb wichtig, weil er das „Wir-Gefühl“ stärke. „Das ist wichtig, weil wir ein großes Neubaugebiet haben.“ Es habe eine Weile gedauert, bis die Bewohnerinnen und Bewohner wirklich integriert waren.
Im Innenhof der Ladenzeile findet zweimal im Jahr ein Flohmarkt statt. Hier dürfen nur Eselsbergerinnen und Eselsberger mitmachen - es sind keine Händler von außerhalb zugelassen. Darauf legt die Regionale Planungsgruppe Wert. In der Ladenzeile gibt es seit ein paar Jahren auch die Tradition des adventlichen, feucht-fröhlichen Christbaumlobens.
In den letzten Jahren hat die Planungsgruppe den Bau der Straßenbahn begleitet und sich zum Beispiel darum gekümmert, wenn Buslinien umgelegt wurden. Überhaupt: Verkehr. Winter: „Die Bewohner vom Trollinger-Weg wenden sich immer wieder an uns, weil Parkplätze fehlen. Doch wir können nichts herbei zaubern.“ Die Planungsgruppe bringe das Thema immer wieder auf den Tisch. Es gäbe zwar einen guten Bus-ÖPNV, aber die Straßenbahn zum Beispiel, die hält am Eselsberg nur zweimal und verläuft auch weit im Osten.
Auch der „Park ums Fort“, bei der Hindenburgkaserne, liegt der Planungsgruppe am Herzen. Hier soll ihrem Wunsch nach ein Fitnessparcours entstehen. Für alle. Kostenlos. An der, laut Hymne, ach so guten Luft des Eselsberg. Eingesetzt hat sich die Planungsgruppe auch dafür, dass die Freifläche vor der Panzerhalle der ehemaligen Hindenburg-Kaserne als Festplatz genutzt werden kann und die Halle für Veranstaltungen.
Was Edgar Winter und vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner am unteren Teil des Eselsberg, „In der Wanne“ und „Am Hetzenbäumle“, ärgert: Die Beringer-Brücke über die Bahnschienen ins Gewerbegebiet der Blaubeurer Straße wurde letztes Jahr abgerissen. „Die Menschen wurden von der Nahversorgung abgeschnitten. Unsere Aktion mit 650 Unterschriften hat nichts gebracht.“ Ein Fußgängersteg sei zu teuer. Die Planungsgruppe will weiter dafür kämpfen.
Isabella Hafner