RPG Böfingen: Gut organisiert
Wo gibt´s das sonst noch? Rund um das Ortszentrum im Haslacher Weg gruppieren sich die Böfinger Wohngebiete und viele Grünflächen. Wer hier wohnt, hat keine weiten Wege zu gehen. Ist man erst Mal oben am Berg, ist alles vorhanden und zu Fuß erreichbar: Ladenzeile, Dienstleistungszentrum, Bürgertreff, Elterncafé, die Bibliothek und bald wohl auch ein kleiner Wochenmarkt. Man kennt sich in Ulms jungem Stadtteil und tauscht sich aus – auch ein Verdienst der seit 25 Jahren aktiven Regionalen Planungsgruppe (RPG) Böfingen.
Die RPG empfängt uns in Person von Nina Leinmüller, die vor einiger Zeit von der ehrenamtlichen RPG-Arbeit als hauptamtliche Stadtteilkoordinatorin zur Stadt Ulm wechselte und Liselotte Finkele-Antelmann, Sprecherin und „Urgestein“ der Böfinger RPG. Die beiden kennen ihre Böfinger und wissen, was im Stadtteil gerade wichtig ist und getratscht wird. „Alles ist hier gut organisiert“, sagt Nina Leinmüller, „wenn auch inzwischen etwas räumlich beengt.“ So gut wie alles findet im kleinen Bürgertreff statt, wo auch die Stadt Ulm ihr Dienstleistungszentrum betreibt. Viermal im Jahr trifft sich die RPG in großer Runde, die meiste Arbeit wird aber in den 6 Arbeitskreisen geleistet. Größere Themen werden oft in Form von Bürgerforen diskutiert, so wie im vergangenen Jahr der Radverkehr.
Derzeit ist ein neuer Stadtteil-Verein in Gründung. Eine Konkurrenz zur bewährten RPG? „Auf keinen Fall“, findet die Stadtteilkoordinatorin. Der Verein solle eher ein wirtschaftliches Dach für die Böfinger Projekte schaffen, „denn z.B. Förderanträge können wir nur stellen, wenn es eine feste Organisationsform gibt.“ Die RPG hat so gesehen nur beratenden Status.
Eine ganz wesentliche Rolle für die Böfinger Identität spielt das „Bürgerblättle“. Seit bald 20 Jahren wird die Stadtteilzeitung ehrenamtlich herausgegeben. Hier findet man wirklich alles, was Böfingen ausmacht: Aktuelle Termine, Berichte aus den Arbeitskreisen und Vereinen, neue Projekte und die Lokalkolumne „Gmaulad“. Seit einiger Zeit betreibt das engagierte Redaktionsteam auch ein gut gepflegtes digitales Pendant.
Die Akteur*innen kennen sich und wohnen auch in Böfingen. Mit ein Grund, warum die Zusammenarbeit auch unter Corona-Bedingungen so gut funktioniert hat. „Über ein Uni-Projekt haben wir die digitalen Möglichkeiten kennen und schätzen gelernt“, sagt Liselotte Finkele-Antelmann, die inzwischen ihre Mitstreiter*innen auch mal kurz zum Zoom-Meeting ruft, um vor dem Abendessen noch ein paar Dinge zu besprechen. „Auf diesem Weg haben aber auch neue Leute zu uns gefunden.“ Beispielsweise ist der AK Energie und Mobilität ein Produkt aus der Pandemiezeit.
Lokalpolitik light
Politisch hat sich die RPG etabliert und einen guten Draht zum OB und dem Gemeinderat. Was hier besprochen wird, findet Gehör im Rathaus. Fast alle Fraktionen entsenden Vertreter*innen in die Sitzungen. „Das war aber nicht immer so“, erinnert sich RPG-Sprecherin Finkele-Antelmann. „Wir mussten uns unseren Ruf über die Jahre erarbeiten.“ Besonders die Anfangszeit unter Alt-OB Gönner war nicht immer einfach, als plötzlich alle „mitschwätza“ wollten.
Anders als beispielsweise Ortschaftsräte, treffen die Ulmer RPGs keine politischen Entscheidungen. Gut vorbereitet haben ihre Vorschläge aber durchaus Chancen, als Anträge mitgenommen zu werden. Die RPG also als „Gemeinderat light“ für Böfingen? „Eigentlich trifft es das ganz gut“, meint Nina Leinmüller. „Wer sich für Kommunalpolitik interessiert, findet hier einen niederschwelligen Einstieg. Und es geht immer um die Sache, niemand muss sich parteipolitisch profilieren.“
Was war der bisher größte Erfolg der Böfinger RPG? Keine einfache Frage, denn es sind eher die vielen schon realisierten Details, vor allem im kulturellen Bereich, die aus Böfingen ein gut organisiertes Gemeinwesen machen. Viele Bewohner*innen nehmen den Ortsteil eher als eigenständige Kleinstadt wahr. Trotzdem brachte der Bau der Straßenbahn 2009 nochmal einen wesentlichen Impuls und Böfingen näher an Ulm heran. Auch wenn sich Liselotte Finkele-Antelmann manchmal wünscht, dass vieles schneller geht und vor allem mehr jüngere Menschen auch im Gemeinderat mitbestimmen, ist der Blick auf die Zukunft optimistisch.
Ein bisschen Schimpfen muss dann doch noch sein: Am meisten ärgert sich die resolute Böfingerin über die vielen, immer noch entstehenden „Steingärten“. Um Arbeit zu sparen, lassen sich viele Bewohner ihre Gärten versteinern – auf Kosten der Natur. Eine Unsitte, die in Baden-Württemberg längst verboten ist. „Aber es interessiert anscheinend niemanden. Da muss die Stadt unbedingt besser informieren und mehr kontrollieren.“
Thomas Dombeck