Abschied von Gisela von Canal

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Abschied von Gisela von Canal

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Dr. Gisela von Canal, Gründungsmitglied der lokalen agenda ulm 21, der Grünen Baden-Württemberg und zahlreicher anderer Initiativen in der Region, ist nach einem langen Leben für Nachhaltigkeit, Frieden und Gerechtigkeit in einem Pflegeheim in Stuttgart gestorben.

In Stuttgart ist die engagierte Kämpferin für ein Leben im Einklang mit der Natur auch aufgewachsen, als promovierte Landwirtin der Uni Hohenheim war sie schon vom anthroposophisch-ökologischen Landbau überzeugt und setzte sich Zeit ihres Lebens für eine bewusste gesunde Ernährung und ein kooperatives Miteinander von Landwirtschaft und Verbraucher*innen ein.

In ihren Themen war sie oft Pionierin und initiierte im süddeutschen Raum mehrere Bildungsprojekte, um auch andere für ihre Ideen und Anliegen zu begeistern - mit großem Erfolg, wie noch heute viele ihrer Schüler*innen bestätigen, die von Gisela inspiriert wurden.

In Grüneck bei Freising baute sie ein anthroposophisches Zentrum auf, in München gründete sie eine Eurhythmie-Schule, in Ellwangen ein Jugendzentrum. Sie arbeitete selbst als Lehrerin und bildete sich zur Heilpraktikerin fort, ganz im Sinn des ihr sehr wichtigen lebenslangen Lernens.

1979 wurde sie Gründungsmitglied den Grünen in Baden-Württemberg, auch hier wieder als Vorreiterin; die Bundespartei wurde erst 1980 gegründet. 1984 rief sie den Arbeitskreis Christinnen bei der Grünen ins Leben, der sich mit diskussionsreichen Themen wie der Bioethik beschäftigte.

1982 kam von Canal nach Ulm und trieb auch hier ihre Herzensthemen - biologische Landwirtschaft, nachhaltige Bildung und gesunde Ernährung - voran. Sie wirkte über viele Jahre hinweg als Referentin an der Volkshochschule und Familienbildungsstätte und initiierte das wöchentliche Frauenfriedensgebet mit Kirchengemeinden und anderen Institutionen. In der eigenen Garage gründete sie eine Bio-Erzeuger-Verbrauchergemeinschaft, weil es ihr wichtig war, dass die Bio-Landwirte den Handel mit ihren Produkten in den eigenen Händen behalten.

1993 hob sie gemeinsam mit anderen engagierten Ulmerinnen und Ulmern die Initiative Ulmwelt - kurz InUlm - aus der Taufe, ein Bündnis, das über mehrere Jahre hinweg Klimaberichte und Denkanstöße für die Stadt verfasst hat. Ein weiterer Denkanstoß war die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen, die mit Prof. Helmut Pelzer in Ulm ihren Anfang nahm und inzwischen bundesweit diskutiert wird.

Die Bestrebungen von InUlm für mehr bürgerschaftliche Verantwortung und kommunalpolitische Anstrengungen in Sachen Umwelt- und Klimaschutz führten 1999 zur Gründung der lokalen agenda ulm 21; auch hier war von Canal eine Unterstützerin der ersten Stunde und Mitglied im Vorstand. Sie prägte vor allem den Arbeitskreis (AK) Bildung mit seinen Projekten. Nachhaltige Bildung und Ernährung von Kindern waren ihr besonderes Anliegen und schlugen sich in einem Grundsatzpapier des AK nieder. So brachte sie mit dem AK Bildung und den Landfrauen die Initiative Schulbauernhof in unserer Region auf den Weg und initiierte mehrere Bildungs- und Gesundheitstage.

Gisela von Canal war Anthroposophin und Landwirtin, Christin und Naturschützerin, Heilpraktikerin und Lehrerin, Wissenschaftlerin und Netzwerkerin, aber auch Mutter und Großmutter. Ihre Beiträge und ihr großes Engagement waren Bereicherung und Herausforderung zugleich, sie war eine unermüdliche Motivatorin. Sie hat ihre Überzeugung nicht nur vermittelt, sondern auch gelebt. Mit ihrer offenherzigen, unkomplizierten Art konnte sie Junge und Alte gleichermaßen mitreißen. Anfang der 2010er-Jahre musste sie sich aus gesundheitlichen Gründen von vielen ihrer Aktivitäten zurückziehen. Aber auch nach ihrer aktiven Zeit blieb sie in Verbindung und Austausch mit ihrem großen Netzwerk.

Mit Gisela verliert Ulm einen ganz besonderen Menschen und eine Vordenkerin in vielen Bereichen. Tröstlich ist, dass viele Samenkörner, die sie in Ulm und anderswo ausgebracht hat, in ihrem Sinn aufgegangen sind und weiterhin für ein nachhaltiges, gerechtes und friedliches Miteinander Früchte tragen.

Dr. Uta Wittich, Petra Schmitz