So ein Theater(-neubau)!

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So ein Theater(-neubau)!

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Ulm wird, wenn der Zeitplan hinhaut, 2027 sein Gesicht an einer Stelle massiv verändert haben. Dort, wo zurzeit ein arg ästhetisches Kuddelmuddel herrscht. Entlang der Neutorstraße - Zwischen der Theaterkreuzung und SWU-Kreuzung. Momentan ein Straßenzug, geprägt von Theater, Ibis-Hotel, Parkplatz, Autohaus und ein paar baulichen Zahnlücken, nachdem ein paar Häuser abgerissen wurden.

Der 60er-Jahre-Beton-Bau des Ulmer Theaters soll ein Geschwisterchen bekommen. Gleich dahinter. In dem mehrgeschossigen Bau sollen das Kinder- und Jugendtheater Platz finden, aber auch Proberäume und Werkstätten. Baubeginn des 30-Millionen-Projekts ist für 2024 geplant. Die Jury hat sich für den Entwurf des 72-jährigen Max Dudler entschieden - ein Schweizer Architekt, der übrigens auch die Heidenheimer Stadtbibliothek geplant hat. Er ist bekannt für seinen Minimalismus.

Das Prägnanteste des neuen Kinder- und Jugendtheaters wird die Fassade sein. Komplett ohne Fenster zur Straße  - Fenster gibt’s aber zur Dachterrasse und anderen Seiten hin. Die Fassade aber, das Markenzeichen des künftigen Baus, wird wie von einem mit Wabenmuster gewebten Teppich überzogen sein. Am Gebäude formen dann Klinker dieses Muster. Dadurch hat man - zumindest dem aktuellen Modell zufolge - nicht den Eindruck, der fensterlose Baukörper könnte zu monströs wirken. Durch die feine Rhythmisierung könnte die Idee ein angenehmer Hingucker werden. Vor allen Dingen, weil nicht nur eine solche Feingliedrigkeit in Ulm Tradition hat. Sondern auch das Material und die Bauform.

Fein gegliedert steht seit mehr als 700 Jahren das gotische Münster da, mit alle seinen Säulen, Spitzbögen, Maßwerke, Ziergiebeln und Pfeilern. Kein Sturm, kein Krieg konnte diese Zierlichkeit bei gleichzeitiger Höhe zerstören. Dann die Klinker. Während bereits in Neu-Ulm die unverputzte Klinkerbauweise ausklingt und ein Stück weiter drin im bayerischen Schwaben dann so gut wie gar nicht mehr auftaucht, ist sie in Baden-Württemberg bei Altbauten immer wieder zu finden. Man denke an manchen Stuttgarter Straßenzug. Aber eben auch an Ulm. Rote Klinkergebäude gibt es etwa in der Oststadt, in der Heimstraße und in der Weststadt. Das neue Theater soll helle Klinker bekommen. Und dann zitierten schließlich auch noch die spitzen Giebel des neuen Gebäudes die Bautradition aus Zeiten, als Ulm eine Reichsstadt war. Wie schon vom Stadthaus bekannt, soll also nun auch das Theater ein solches Krönchen bekommen: Bestehend aus einem Hauptzacken und mehreren Nebenzacken. 

Manche Kritiker dagegen merken an, dass außerhalb der Ulmer Stadtmauer traditionell dieser Spitzgiebel nie existierte. Und ja, ok, das Theater liegt knapp außerhalb der Stadtmauer, dort, wo Ulm vor mehr als hundert Jahren dann hinaus gewachsen ist. Vielleicht ist das aber nur die Ulmer Kleinlichkeit. Die Suche nach dem Fehler. Max Dudler sagt: Er knüpfe mit seinem Entwurf einerseits... dabei sei diser "gleichermaßen zeitlos" und überdauere die Moden. Er habe sich auch von mittelalterlichen Burgen, Patrizierhäusern, kleinteiligen Dachlandschaften und mittelalterlichen Siedlungsstrukturen inspirieren lassen. „Und natürlich von den wunderschönen Giebelhäusern, die es in manchen Ulmer Stadtteilen noch gibt. All das wollte ich in meinen Entwurf mit einfließen lassen, der für Generationen sein soll.“

Intendant Kay Metzger freut sich schon sehr auf den Neubau. Er liebäugelt damit, dass die Werkstätten und Orchesterproberäume vielleicht sogar schon 2027 einziehen könnten. Metzger: „Der Neubau ist für uns dringend notwendig, weil wir aktuell in der Pakethalle proben und dort der Nutzungsvertrag langsam ausläuft. Außerdem ist der Arbeitsschutz heute strenger als 1969, als das Theater gebaut wurde. Heute müssen beispielsweise in den Werkstätten die Maschinen weiter auseinander stehen.“ Die Idee der Stadt, das freie Kinder- und Jugendtheater, die „Junge Ulmer Bühne“, aus der ehemaligen Turnhalle des Hans-und-Sophie-Scholl-Gymnasiums in der Ulmer Weststadt ins neu entstehende „Theaterviertel“ zu holen - Metzger findet’s „sehr charmant“. Denn das passe super rein in das neue Gebäude und könne zu Win-Win-Situationen führen.

Groß ist auch sein Lob für den Dudler-Entwurf. „Eine großartige Sache. Ich war voller Sorge, dass es ein reines Zweckgebäude werden könnte. Ein quadratischer Klotz, ein Gebäude, das aussieht wie eine Großbäckerei oder eine Bank.“ Nun sei aber das Gegenteil passiert: „Der Neubau macht neugierig und hat etwas Fantastisches.“ Warum? „Die Seite zur Straße hin mit ihrem spitzen Giebeln hat zum Beispiel keine Fenster. Ein Haus, das ein Geheimnis in sich birgt? Was könnte da drin sein?“

Gleichzeitig sei ja auch Teil des Geheimnisses, dass es eben zur innen liegenden Terrasse und zu den Seiten hin einige Fenster gebe. Und: Es wird für die beiden Geschwister, das alte Theater und den jungen Neubau, eine Verbindungsbrücke geben. Und einen unterirdischen Gang. So können die beiden Geschwister dann auch gut zusammen wachsen.

Isabella Hafner