Windräder in Ulm oder im Alb-Donau-Kreis?

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Windräder in Ulm oder im Alb-Donau-Kreis?

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Kein Potenzial und keine freien Flächen – das scheint die allgemein anerkannte Einschätzung zu sein, wenn man Menschen hier zu diesem Thema fragt. Dabei sind die Voraussetzungen für den Bau von Windenergieanlagen (WEA) hier in der Region im Vergleich zu anderen Regionen Baden-Württembergs hervorragend.

Die vergangenen Jahre waren auf allen Ebenen geprägt von Rahmenbedingungen, die den Ausbau deutlich erschwert oder verhindert haben. Aber die politischen Zielvorgaben in Bund und Land haben sich jüngst deutlich verändert. Die Landesregierung peilt in den nächsten Jahren die Installation von 1000 Windrädern an, u.a. durch die vereinfachte Freigabe landeseigener Waldflächen und vereinfachte Genehmigungsverfahren, auch bundesweit dürfte mit der neuen Ampelkoalition neue Bewegung in das Thema kommen.

WEA-Installationen in ausgewählten Regionen im Vergleich zum baden-württembergischen Teil der Region Donau-Iller
WEA-Installationen in ausgewählten Regionen im Vergleich zum baden-württembergischen Teil der Region Donau-Iller

 

Beim Blick auf die einzelnen Regionen Baden-Württembergs (s. Karte) erkennt man z.B im Nordosten des Landes trotz aller Bremsversuche eine kontinuierliche Weiterentwicklung, während sie in anderen Landesteilen ins Stocken kam oder gar nicht erst begonnen wurde.

Der Blick auf den 2019 aktualisierten Windatlas, der nun eine grundstücksscharfe Vorhersage zu erwartender Erträge ermöglicht, zeigt, dass die Erklärung nichts mit guten oder schlechten Lagen zu tun hat. Es muss also eher an den politischen Randbedingungen und der Bereitschaft der lokalen Gremien liegen, sich den Herausforderungen der Klimakrise und der notwendigen Energiewende zu stellen.

Stopp der Schwarz-Weiß-Regel 2012

Dabei weist die Region Donau-Iller mit den Landkreisen Ulm, Alb-Donau, Biberach und Neu-Ulm noch eine weitere Besonderheit auf: als länderübergreifende Region mit Bayern und Baden-Württemberg wurde sie im baden-württembergischen Winderlass von 2012 von der Neuregelung der Genehmigungsverfahren von WEAs ausgenommen, mit dem Verweis auf später zu vereinbarende staatsvertragliche Regelungen.

Bis 2011 galt die Regel, dass die Regionalverbände sog. Windvorranggebiete ausweisen konnten, in denen die Genehmigung von WEA zulässig und vorrangig war. Außerhalb war diese generell nicht erlaubt. Die Neuregelung von 2012 stoppte diese „Schwarz-Weiß-Regel“ - Windvorranggebiete sollten weiterhin ausgewiesen werden, um damit eine Steuerungswirkung innerhalb der Regionen zu erreichen, also z.B. die Konzentration in landschaftspflegerisch weniger kritischen Bereichen zu ermöglichen. Wo jedoch keine Ausweisung erfolgt, dürfen Genehmigungsverfahren ohne weitere Einschränkungen rein auf Basis des Bundes-Immissionsschutz-Gesetzes durchgeführt werden. Diese Neuregelung zwingt also die Regionalverbände, eine hinreichende Zahl geeigneter Flächen auszuweisen, wenn sie den Wildwuchs von Anlagen in ihrer Region vermeiden wollen. Dabei darf diese Planung nicht dazu benutzt werden, die Windnutzung unbotmäßig zu beschränken, sondern der Bedarf, angesichts der Erfordernisse des Klimawandels, muss angemessen berücksichtigt sein.

Diese Neuregelung führte im Ergebnis in einigen Regionen zur Ausweisung eines sinnvollen Vorrats an Windvorranggebieten, die auch mit neuen Projekten gefüllt wurden. In der Region Donau-Iller mit der alten Regel passierte demgegenüber erst mal 9 Jahre lang – gar nichts. So liegt der Flächenanteil der Windvorranggebiete im Kreis Biberach bei 0.2%, im Alb-Donau-Kreis bei 0,45%. In Ulm ist keine einzige Fläche ausgewiesen. Die aktuelle Zielvorgabe im Land und demnächst bundesweit ist 2%!

Die Landkreise Alb-Donau (ADK) und Biberach (BC), die auch vorher schon nicht für fortschrittliche Ideen bzgl. der Förderung der Erneuerbaren bekannt waren, konnten sich bis heute auf ihrer staatsübergreifenden Ausnahmeregelung ausruhen und die Entwicklung von der Seitenlinie aus betrachten – es ist keine Initiative bekannt, mit der versucht worden wäre, mit Hilfe der Landesregierung eine Neuregelung zu erreichen.

Jetzt neuen Flächennutzungsplan erstellen 

Zumindest für Ulm sollte das nicht länger hingenommen werden. Blickt man auf den Windatlas, dann erkennt man schnell, dass die gähnende Leere in unserer Gegend häufig genau mit Gebieten sehr guter Windhöffigkeit zusammenfällt. Viele neue Anlagen in anderen Kreisen wurden vor Erscheinen des neuen Windatlas auf Flächen genehmigt, die gemäß dieser Winddaten deutlich geringere Erträge erwarten lassen. Es gibt jedoch selbst von dort keine Klagen über mangelnde Wirtschaftlichkeit. Die hochwertigen Flächen im südlichen und westlichen Teil von ADK und auch in BC dürften also noch weit attraktiver sein. Und selbst im Stadtkreis Ulm sind entlang der A 8 zwischen den Ausfahrten Ulm-Nord und Ulm-Ost bei Seligweiler Flächen vorhanden, die den bestehenden Windpark bei Bermaringen gemäß Windatlas-Daten übertreffen.

Dieser Bereich ist zwar als Landschaftsschutzgebiet eingestuft, es wird jedoch niemand ernsthaft behaupten können, dass die Aufstellung von WEAs einen schwerwiegenderen Eingriff darstellt als der anstehende Ausbau der A8, die in 500m Entfernung vorbeiführt.

 

Zukunft - Vom alten Postweg nach Westen: Der Wald an der Raststätte Seligweiler bietet Platz für einige moderne WEA, die den Wald deutlich überragen, aber ansonsten keine Bedrohung darstellen. Fotos: Dr. Wilfried Clauß
Zukunft - Vom alten Postweg nach Westen: Der Wald an der Raststätte Seligweiler bietet Platz für einige moderne WEA, die den Wald deutlich überragen, aber ansonsten keine Bedrohung darstellen. Fotos: Dr. Wilfried Clauß

 

Der Gemeinderat der Stadt Ulm muss nicht warten, bis der Regionalverband eine neue Teilfortschreibung der Windplanung für die gesamte Region erstellt hat. Dieser Schritt wird irgendwann kommen, allein deshalb, weil der Druck der übergeordneten Politik allmählich zu hoch werden wird. Es geht aber zu viel Zeit verloren, wenn das Ächzen der Bürokratiemühlen abgewartet wird. Der Gemeinderat kann jederzeit mit der Ausweisung eines neuen Flächennutzungsplanes beginnen und diesen im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens bereits im Rahmen der vorhandenen Regelungen auf den Weg bringen. Für Ulm mit dem als dynamischer Wirtschaftsstandort weiter wachsenden Energiebedarf wäre es ein großer Vorteil, sich mit lokal erzeugtem Windstrom unabhängiger und zukunftssicher zu machen. Die Wirtschaft fordert seit langem energetische Planungssicherheit im Umfeld von Atom- und Kohleausstieg und hat zunehmenden Strombedarf durch die Umstellung von Öl und Gas auf Strom. Und es wäre die ideale Ergänzung zum angestrebten Ausbau der Photovoltaik, die diesen Bedarf weder von der Leistung, noch von der stark fluktuierenden Verfügbarkeit her nicht allein decken kann. Komplette Energieautarkie wird sicher nicht möglich sein, aber ein paar moderne Windräder würden bereits so viel Energie liefern wie der gesamte im Klimaschutzplan der Stadt Ulm für die nächsten Jahre angestrebte PV-Zubau. Ein modernes Windrad erzeugt jährlich Strom für ca. 60.000.000 Elektroautokilometer, die in Seligweiler aufgeladen werden könnten.

Ulm als anerkannter Innovationsstandort würde damit eine Vorbildrolle für die anderen "Player" im Regionalverband übernehmen und ein Signal für die anderen Kreise setzen, damit es in der ganzen Region endlich bei der Energiewende vorangeht.

Und parallel dazu kann man sich in Gremien und stadteigenen Betrieben schon mal Gedanken machen, wie eine echte Bürgerbeteiligung an einem Windpark aussehen könnte. Dies ist nämlich der Schlüssel dafür, dass eine breite Mehrheit ein solches Projekt unterstützt und die Proteste der Gegner des Ausbaus der Erneuerbaren, die meist auf Scheinargumenten beruhen, von vorne herein wenig Gehör finden.

Dr. Wilfried Clauß, AK Energie der lokalen agenda ulm 21