• Koblenz: Seilbahn zur BuGa (Foto: © Horst Dostert)
  • Koblenz: Seilbahn zur BuGa (Foto: © Henry Tornow)
  • La Paz: Linea Amarilla (Foto: © Doppelmayr)
  • La Paz: Linea Verde (Foto: © Doppelmayr)

Schweben statt Stauen: Seilbahnen im urbanen ÖPNV

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Schweben statt Stauen: Seilbahnen im urbanen ÖPNV

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Städte wie Köln, London und Ankara haben sie bereits, in München und Stuttgart wird derzeit der Einsatz städtischer Seilbahnen zur Ergänzung des öffentlichen Personenverkehrs untersucht. In Koblenz transportierte die neu errichtete Seilbahn zur Festung Ehrenbreitstein rund 2 Millionen Besucher zur Bundesgartenschau 2011. Der Clou: Seilbahnsysteme sind schnell gebaut, lärm- und emissionsarm, aber auch unabhängig vom Gelände und bestehenden Verkehrswegen. Wer den luftigen Personentransport nutzt, muss sich nicht über tägliche Stauzeiten ärgern.

La Paz: Linea Amarilla (Foto: © Doppelmayr)

Seit dem Zuschlag zur Landesgartenschau 2030 steht das Seilbahn-Thema auch in Ulm wieder auf der Agenda. Eine Delegation des Gemeinderats und der Stadtverwaltung informierte sich im Februar dieses Jahres in Koblenz über die parktischen Erfahrungen. Dort ist die Bahn auch 8 Jahre nach der BuGa ein Erfolgsmodell. Seilbahnen als Verkehrsmittel punkten vor allem in schwierigem Gelände. Sie überwinden problemlos Autobahnen, Flüsse und Höhendifferenzen. Besonders, wo bestehende Verkehrswege umständlich oder staubelastet sind, liegen die Vorteile auf der Hand.

Längst haben die Seilbahnbauer erkannt, dass der urbane ÖPNV bei Klimawandel und schwindendem Skitourismus ein lohnendes Geschäftsmodell ist. In der bolivianischen Hauptstadt La Paz hat der österreichische Markführer in den letzten 5 Jahren das größte städtische Seilbahnnetz der Welt mit 11 Linien und 33 Kilometern Gesamtlänge in Betrieb genommen. Dort erfolgt mittlerweile ein Großteil des Personentransports durch die Luft. Auch wenn die  Verhältnisse in Ulm nicht so extrem sind wie in den Anden: Der notwendige Transport täglich tausender Passagiere zur Wilhelmsburg während der LGS 2030 legt den Einsatz einer Seilbahn nahe. Aber rechnet sich das auch?

„Seilbahnen sind eine gute Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Dabei ist es wichtig, sie durch gute Umsteigemöglichkeiten von Bus, Bahn und Rad in den bestehenden öffentlichen Verkehr zu integrieren", ließ der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann 2018 anlässlich einer entsprechenden Studie seines Ministeriums wissen. Tatsächlich können sie in geschickter Kombination mit anderen Verkehrsmitteln auch als Teil des städtischen ÖPNV-Netzes rentabel betrieben werden. Inzwischen gibt es in Baden-Württemberg dafür staatliche Fördergelder. Während Elektromobile immer noch mit der limitierenden Batterietechnik zu kämpfen haben, können Seilbahnen mit zentralem Antrieb und leichten Gondeln einen unmittelbaren Beitrag zur Förderung der E-Mobilität und damit zur anstehenden Verkehrswende leisten.

Eine wissenschaftliche Studie der TU Dortmund untersuchte 2016 die Kosten- und Umweltbilanz von Seilbahnsystemen im öffentlichen Transport anhand bestehender Beispiele. Maximale Förderkapazitäten von 5 bis 7.000 Personen pro Stunde sind mit einer kurz getakteten S- oder Straßenbahn vergleichbar. Nur U-Bahnen befördern vergleichsweise mehr Passagiere, kosten aber um ein Vielfaches mehr in der Konstruktion. Im Schnitt betragen die Baukosten rund 5-6 Millionen Euro pro Kilometer, bei einer Bauzeit von 1-2 Jahren. Bei optimaler Auslastung kann eine Person mit 0,1 kWh Strom einen Kilometer weit befördert werden. Damit bliebe der Energieeinsatz und CO²-Ausstoß pro Kopf um rund 40% unter dem von Bussen oder Straßenbahnen und fünfmal niedriger als bei einem (voll besetzten) Pkw.

Positiv ist auch der geringe Raumbedarf, der auf das unmittelbare Umfeld der Stützen beschränkt bleibt und eine Reduktion von Verkehrsflächen ermöglicht. Bei der momentanen städtebaulichen Verdichtung ein durchaus wichtiger Aspekt. Allerdings ist eine vernünftige Streckenplanung Pflicht, da sonst Konflikte mit Anwohnern drohen, die lange Verzögerungen nach sich ziehen.

Die Seilbahntechnik bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Realisierung: Ein- und Mehrseilsysteme, Pendel- oder Umlaufbahnen. Als leistungsstärkste Variante hat sich die Umlaufseilbahn mit Kleinkabinen (bis zu 12 Personen) erwiesen. Diese gewährleistet einen kontinuierlichen Transport, die Wartezeiten sind minimal. Bis zu 7.000 Passagiere können solche Bahnen pro Stunde in eine Richtung transportieren. Hier profitiert die Technologie von der langjährigen Entwicklung in den großen Skigebieten, wo die Bahnen schon seit Langem enorme Passagierzahlen in den Stoßzeiten bewältigen. Der Unterschied zum urbanen Berufsverkehr ist da geringer, als man zunächst denken mag.

Thomas Dombeck