Echte Schätzchen

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Echte Schätzchen

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Wir verbrauchen zu viele Klamotten. Auch, weil sie uns günstig hinterher geschmissen werden, um bald wieder aus unserem Kleiderschrank zu fliegen. Doch wir können uns dafür entscheiden, deren Lebenszyklus zu verlängern: länger tragen - und: Second Hand kaufen. Ohnehin ist Second Hand das Richtige für Entdecker! In Ulm gibt es schon einige Läden.

Second Hand erlebt gerade - vor allem auch bei jungen, offenen und experimentierfreudigen Menschen - einen Boom. Nicht nur in Metropolen wie London, Paris und Berlin gehen die Leute auf Flohmärkten oder in Second Hand-Läden auf Schatzsuche nach außergewöhnlichen Klamotten, nach Einzelteilen, die eben gerade nicht massenweise bei H&M, Zara und Primark an der Stange hängen. Nach getragener Kleidung, die schon einiges erlebt hat und immer noch gut ausschaut.

Da ist zum Beispiel das Herren-Flanell-Hemd. Noch aus der DDR? Oder der Faltenrock - drehte damit ein Fräulein in den 50er Jahren keck ihre Runden auf den Tanztees? Und verdrehte sie damit den Herren, deren Hosen von den heute total angesagten Hosenträgern gehalten wurden, die Augen? Second Hand gilt nicht mehr muffig und öko. Es ist Zeitgeist. Auch stilbewusste Gutverdiener gehen mittlerweile in den - auch in Ulm - sprießenden Second Hand-Läden ein und aus - wenn sie nicht gerade nach gebrauchter Kleidung im Internet auf Kleiderkreisel und Ubup stöbern.

Ein Gegentrend zur sogenannten Fast Fashion, die sich in den letzten Jahren massiv entwickelt hat. Die Mode kennt keine Verschnaufpausen mehr. Statt vier Modezyklen im Jahr gibt es mittlerweile acht. Kleidung wird immer schneller auf den Markt geworfen – und zwar zu Ramschpreisen. Das Motto: Mehr kaufen – weniger ausgeben. Jeder Deutsche kauft einer Greenpeacestudie zufolge etwa 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr und trägt diese halb so lange wie vor 15 Jahren. Manche Kleidungsstücke hängen so gut wie ungetragen im Schrank. Kleidung verkommt zur Wegwerfware. Zum Müll von morgen.

Laut Greenpeace hat sich die weltweite Textilproduktion seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Während deutsche Verbraucher jährlich 10 Kilogramm neue Kleidung kaufen, seien es in den USA 16 Kilogramm und in Afrika/Nahost nur etwa 2 Kilogramm. Mit dem wachsenden Textilkonsum in Industrieländern wachsen die Umweltfolgen in Herstellungsländern wie Bangladesch und China.

Das Gewissen erleichtern und wenigstens die ausgemisteten Teile aus dem Kleiderschrank spenden für Menschen in Osteuropa, im Nahen Osten oder in Afrika? Damit Platz für Neues ist? Erste Staaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft wollen den Import aus Europa verbieten. Die dort günstig auf den Markt geworfene Kleidung ruiniere die Textilproduktion dort. Die abgetragene Kleidung wird zwar in Deutschland angeboten, aber auch nach Osteuropa, in den Nahen Osten oder nach Afrika verkauft.  

Wer nun also Kleidung zu einer Wiedergeburt verhelfen will, kann jagen gehen in den Ulmer Second Hand Läden. Und dabei individuelle Teile schießen. Los geht’s!

Secontique

Wo ist er nur, dieser neue Second Hand-Laden, den es seit Sommer in der Ulmer Dreiköniggasse, in der Innenstadt, gibt? Man läuft ein paar Mal dran vorbei - dann: Da ist er! Secontique - so elegant der Namen klingt, so wenig sieht das Schaufenster nach Kleidung aus, die auf ein zweites Leben wartet. Hochwertige Kleidung wird da an Modepuppen in Szene gesetzt. Drinnen werfen Deckenspots ihr Licht auf Blazer, Kleider, Hosen und Blusen, die in verschiedenen Nischen präsentiert werden. „Oft kommen Leute vorbei und fragen, warum die Kleider so günstig sind“, erzählt eine Verkäuferin lachend. Etwa das elegante Kleid mit den Rosen: 17 Euro. Die Kunden sollen das gleiche Einkaufserlebnis haben wie in anderen Modeboutiquen -  so das Ziel der „Aktion Hoffnung“ der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Die Frauen- und Männerbekleidung, die hier gespendet und von Mitarbeitern sortiert, aufgebügelt und entfusselt wird, geht überwiegend für zehn bis 30 Euro über die Ladentheke. Auf dem Angebotsständer hängen aber auch Teile für drei Euro und es gibt so Exklusives wie einen Ledermantel, für rund 100 Euro; oder einen komplett zusammen gestellten Anzug für 130 Euro. Findet ein Kleidungsstück keinen Liebhaber, wandert es in die Sammelzentrale nach Laupheim. Dort hat es nochmal die Chance, verkauft zu werden - ansonsten geht es an Bedürftige. Die Einnahmen von Secontique in Ulm - aber auch die der Filiale in Albstadt - fließen an die Caritas und in Projekte der Aktion Hoffnung: Zum Beispiel werden Auszubildende in Paraguay unterstützt.

Neue Arbeit

Jacken, Pullis, Schuhe, Taschen, Gürtel, Taschen - alles gibt’s im Sozialkaufhaus „Neue Arbeit“ in der Ulmer Büchsengasse. Und zwar auf zwei Etagen; für Frauen, aber auch Männer und Kinder. Man muss etwas Zeit mitbringen, um sich durch die vielen Ständer zu wursteln. Auf denen hängt zwar nicht immer das Modischste, aber vielleicht ist gerade das eine getigerte Oberteil dann das „Must-have“ auf der nächsten Mottoparty? Oder man findet die richtige Bluse für seinen exklusiven Style genau hier. Vielleicht auch das Pradakleid?

Shoppen in der Neuen Arbeit kann man mit einer Schatzsuche vergleichen. Die sich lohnt. Jeden letzten Donnerstag im Monat wird dort ein Krabbeltisch angeboten. Dann kostet jedes Teil nur 50 Cent. Jeden Dienstag gibt’s alles, was reduziert ist, für einen Euro. Dann auch in der Neu-Ulmer Filiale in der Memminger Straße 52.
Das Schöne außerdem: In der Neuen Arbeit sind Menschen angestellt, die auf diese Weise in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

Oxfam

Ein paar Straßen weiter, im Oxfam-Laden in der Pfauengasse, ist die Auswahl zwar etwas geringer - der Laden ist auch klein, aber dafür ausgewählter. Manche Kleidungsstücke hier sehen aus, als wären sie nie getragen worden. Auch einige Edelmarken sind vertreten… Und im Fasching sogar passenderweise Faschingskostüme. Ehrenamtliche verkaufen hier Kleidung für Männer und Frauen, die gespendet wurde. Und auch hier gibt es Schuhe und etliche Accessoires. Die Mitarbeiterinnen bei Oxfam machen das alle ehrenamtlich. Mit dem Kauf eines Kleidungsstückes unterstützt man hier ein Sozialprojekt. Vom Preis her gibt es weder nach unten noch nach oben eine Grenze.

Claudine

Wie der französische Name schon vermuten lässt: Bei „Claudine“, die ihren Laden in einer alten Hutmacherei in der Herdbruckerstraße untergebracht hat - zwischen der Flaniermeile „Donaumauer“ und einem Burgerrestaurant - taucht die Kundin ein in einen extravaganten Modesalon: Nur Kleidungsstücke, die der Chefin Andrea Rauch zufolge „immer etwas Besonderes“ aufweisen müssen, haben hier eine Chance. Die vielen Farben der Kleidungsstücke leuchten von ihren Stangen und werden eingerahmt von Retro-Ladeneinrichtung aus mitteldunklem Holz. Die Wände hat Claudine grau gestrichen, von der Decke hängt ein Kronleuchter, wer zur Beratung mitkommt, kann es sich in einem der beiden Cocktailsessel bequem machen. Zur Besonderheit des Ladens trägt auch Claudines ältere und sehr aparte Verkäuferin bei.

Kleiderrausch

Ganz andere Ecke: Auf dem Kreuz, dem Dorf mitten in der Ulmer Innenstadt. Dort schleichen normalerweise Katzen übers Kopfsteinpflaster, es ist ruhig. Doch seit mehr als 30 Jahren existiert dort ein Second Hand Laden. Angeblich der älteste Ulms, wie Claudia Kamphausen sagt, die ihn vor vier Jahren übernommen und umgetauft hat in „Kleiderrausch“. Berauscht ist man tatsächlich, wenn man eintritt in das kleine Paradies aus zwei Zimmern - nachdem man von einem Hund begrüßt wurde. Schön präsentiert in einem offenen alten Holzschrank, auf Holztischen und Vitrinen werden hier Kleider, Kostüme, Hosen, Blusen, Mäntel, Schuhe, Taschen und Schmuck. Ach ja, auch Sonnenbrillen! Vor allem hochwertige Markenware in sehr gutem Zustand. Ab 20 Euro kann man hier einiges finden. Ein paar hundert Euro allerdings kann das Escadakleid kosten, das ursprünglich Mal 800 Euro Wert war. Claudia Kamphausen teilt sich den Erlös des jeweiligen Kleidungsstückes mit der Person, die es abgegeben hat. Männer finden hier nix. Außer für ihre Frau oder Freundin… Was kein Problem ist, bei der Beratung!

Text und Fotos: Isabella Hafner

 


Weitere Secondhandläden in Ulm und Neu-Ulm

Bambino | Kinder-Second Hand
Reuttier Straße | Neu-Ulm

Donauzwerge | Kinder-Second-Hand
Donaustraße | Neu-Ulm

Kinderparadies | Kinder-Second-Hand
Pfuhler Straße | Neu-Ulm-Offenhausen

Fairkauf (Caritas) | Second Hand
Augsburger Straße | Neu-Ulm

Söflinger Second Hand Boutique
Neue Gasse | Ulm-Söflingen

Größen-Wahnsinnig | Second Hand ab Größe 42
Hafenbad | Ulm