• Hilfe gibt's im Reparaturcafe, oft ist nur ein Draht gerissen (Bild: T. Dombeck)
  • Ein Staubsauger wird im Reparaturcafe instand gesetzt (Bild: T. Dombeck)
  • Kompliziertes Innenleben eines Flachbild-Fernsehers  (Bild: T. Dombeck)
  • Monika Paul mit ihrer Nähmaschine im Reparaturcafe  (Bild: T. Dombeck)
  • BikeStation Ulm, Magirusstraße 17  (Bild: T. Dombeck)
  • BikeStation Ulm (Bild: T. Dombeck)
  • BikeStation Ulm (Bild: T. Dombeck)
  • BikeStation Ulm (Bild: T. Dombeck)

Reparieren statt Wegwerfen

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Reparieren statt Wegwerfen

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Das Reparaturcafé und die BikeStation Ulm bieten umweltbewussten Verbrauchern Reparaturen und Hilfe zur Selbsthilfe.

Wer das Klima retten und Ressourcen sparen will, fängt am besten beim Konsum an. Haushalts- und Elektrogeräte verschlingen am meisten Rohstoffe und Energie bei der Produktion. Auch das sparsamste Gerät kann seine Vorzüge erst ausspielen, wenn man es lange nutzt. Andererseits sind die Hersteller an Umsatz interessiert und bauen gerne unerfreuliche Sollbruchstellen ein, die dem Leben der Apparate ein vorzeitiges Ende setzen. Geplante Obsoleszenz heißt es neudeutsch. Aber kein Ärgernis, das nicht auch Kreativität hervorbringt: Inzwischen bieten ehrenamtliche Experten in Sachen Technik und Reparatur vielerorts ihre Dienste in "Reparaturcafés" an, wo interessierte Laien und Menschen mit kleinem Geldbeutel Anleitung und Hilfe bei der Instandsetzung defekter Gebrauchsgegenstände finden. Seit 2014 auch in Ulm.

Reparaturcafé Ulm (RCU)

Alle 2 Wochen treffen sich in der Mensa der Ulmer Elly-Heuss-Realschule in der Schillstraße 35 Menschen in karierten Hemden und Overalls, die sich nicht mit unserer Wegwerfgesellschaft zufrieden geben. Leider ist das Wissen, wie man Sachen repariert, fast ausgestorben. Selbst reparieren unter Anleitung ist daher der Grundgedanke der Reparaturcafé-Bewegung, die ursprünglich von unseren niederländischen Nachbarn stammt.

In der Praxis sieht es freilich oft anders aus. Technische Geräte sind häufig so kompliziert, dass man als Laie schnell überfordert ist. Und so widmet man sich lieber dem Gespräch am Kaffeetisch, während nebendran die Spezialisten werkeln. Denen ist das mitunter gar nicht unrecht, denn die meisten Reparateur*innen sind eher Praktiker als Didakten. Neben dem Motto "Reparieren statt Wegwerfen" ist es aber auch der soziale Gedanke, der das RCU auszeichnet. Im Café kommen Menschen aller Gesellschaftsschichten über die technischen Alltagsdinge schnell ins Gespräch und oft kann Menschen in Notsituationen wirksam geholfen werden. Eine Rechnung gibt es am Ende nicht. Wer finanziell dazu in der Lage ist, wirft etwas in die Spendenkasse, die den Erhalt des Cafés sichert.

Aktuell kümmern sich rund 10 Ehrenamtliche vor allem um defekte Elektrogeräte und Fahrräder. Hinzu kommt der von Monika Paul betreute Textilbereich für Näharbeiten. Sie engagiert sich für den Ressourcenschutz und macht auch zuhause alles selbst, vom Pullover bis zu den Möbelstücken. Mit ihrer Sachkenntnis und der passenden Nähmaschine ist sie im RCU für alle textilen Reparaturen und Änderungen gewappnet. Für Metall- und Holzarbeiten fehlen im Moment allerdings die Voraussetzungen. Wichtiges Prinzip des RCU: Es werden keine Ersatzteile bereitgehalten. Dazu fehlen sowohl Lagerkapazitäten als auch das Budget. Daher müssen Kunden notwendige Ersatzteile selbst mitbringen oder beschaffen.

2014 wurde das von der St. Elisabeth-Stiftung Bad Waldsee geführte RCU eröffnet und hat seitdem eine wechselvolle Geschichte erlebt. Das ursprüngliche, geräumige Gebäude im "Gummi-Welz-Areal" an der Magirusstraße wurde abgerissen und musste dem Wohnungsbau weichen. Kurzzeitig residierte das RCU dann im WeststadtHaus unter recht beengten Bedingungen. Nach jedem Reparaturtermin mussten Material und Werkzeug in einen Bus verladen werden, da es keine Lagermöglichkeiten gab. Seit September steht mit der Elly-Heuss-Realschule nun eine hoffentlich dauerhafte Behausung zur Verfügung.

Wolfgang Matheis, der das RCU als Fahrradspezialist von Anfang an begleitet hat, ist sicher, dass damit jetzt ein guter Partner gefunden wurde und Ruhe einkehrt. "Die Schule stellt uns für die Reparaturtermine ihre angenehm helle und gut beheizte Mensa zur Verfügung", auch ein Lagerraum für das Werkzeug ist dabei. "Außerdem gibt es ein Café, in dem die Schüler zu günstigen Preisen Getränke und selbst gemachten Kuchen anbieten. Davon profitieren beide Seiten." Man merkt es an den steigenden Kundenzahlen.

Nach der anfänglichen Euphorie ist die Zahl der Re-parateur*innen inzwischen leicht zurück gegangen. Weitere Menschen mit technischem Geschick und dem Willen, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu leisten, sind daher im RCU hoch willkommen! Besonders der Bereich Elektrik wird stark nachgefragt. Prädestiniert sind dafür natürlich Techniker*innen oder Ingenieur*innen, die berufliche Erfahrungen mitbringen und vielleicht im Ruhestand eine sinnstiftende Betätigung suchen. Das ist aber keine Voraussetzung. "Das Potenzial eines Reparaturcafés ist das Know-how aller Beteiligten", meint Wolfgang Matheis, "jeder bringt individuelle Kenntnisse mit, die das Angebot erweitern". Dabei kann von den Ehrenamtlichen niemand in die Haftung genommen werden – die Kunden unterschreiben mit dem Reparaturauftrag auch den Ausschluss einer Gewährleistung. Trotzdem werden instandgesetzte Elektrogeräte von Expert*innen geprüft, bevor sie das Haus verlassen.

BikeStation Ulm

Wer ein günstiges gebrauchtes Fahrrad sucht, gebrauchte, aber noch fahrbare Räder zur weiteren Verwendung spenden möchte oder Hilfe bei der Reparatur des eigenen Drahtesels braucht, kann sich an die BikeStation Ulm wenden. Die "Freie Radwerkstatt für Alle" ist jeden Freitag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Zwei bis drei fahrradbegeisterte, ehrenamtliche Reparateure teilen sich hier den engen, kaum beheizbaren Raum mit den Kunden, dem Ersatzteilelager und den bereits reparierten Rädern.

Nachdem der ursprünglich genutzte Keller im Mähringer Weg geräumt werden musste, waren die engagierten Fahrradfreunde monatelang auf der Suche nach einer neuen Werkstatt. Seit dem Herbst stellt nun die Stadt eine Garage im Hinterhof der Gemeinschaftsunterkunft in der Magirusstraße 17. Größere und komfortablere Räume wären dringend geboten für eine ehrenamtliche Leistung, die sonst nirgendwo in Ulm zu bekommen ist. Denn die Nachfrage nach guten Gebrauchträdern ist groß. Kaum ein Fahrradhändler bietet Gebrauchtes an. Grund ist die Gewährleistungspflicht für kommerzielle Anbieter, die bei unbekannten Rädern ein hohes Risiko birgt.

"Unsere Kunden kommen aus allen Bevölkerungsschichten", berichtet Wolfgang Matheis, der die BikeStation maßgeblich mit aufgebaut hat. "Neben den Bewohnern der Magirusstraße 17 sind es v.a. Pendler, die ein Rad für die Fahrt zum Bahnhof suchen oder einfach Nachbarn, die per Mundpropaganda von uns erfahren haben." Für ihn ist die BikeStation die logische Ergänzung zum Reparaturcafé. Während im RCU nur repariert wird, gibt es hier auch einen großen Fundus an Ersatzteilen, die von Rädern abmontiert werden, bei denen eine Reparatur nicht lohnt.

Oft werden qualitativ recht gute Gebrauchträder gespendet. Wegen der beengten Situation kann aber nicht alles angenommen werden. "90 Prozent der eingehenden Räder müssen wir sofort instand setzen, da wir kein Lager haben", sagt Matheis. "Wir können daher nicht jeden Schrott annehmen. Die Räder sollten fahrbereit und in einem guten Zustand sein." Hinter den Montageständern von Wolfgang Matheis und seinen Kollegen Tim Dudziak und Volker Straub warten die fertigen Bikes auf Abnehmer. Feste Preise gibt es nicht. Lediglich eine "Wertschätzungsprämie von 20 Euro" wird erwartet.

Text und Fotos: Thomas Dombeck


Öffnungszeiten des Reparaturcafés Ulm (Schillstraße 35): Immer am 1. und 3. Mittwoch im Monat von 16 bis 19 Uhr, außer an Feiertagen und in den Schulferien.
Nächste Termine: 5. und 19.02.2020
Mehr Infos unter: www.reparaturcafe-ulm.de

BikeStation Ulm (Magirusstraße 17): Geöffnet freitags von 14 bis 17 Uhr
Kontakt: freie-fahrradwerkstatt-ulm@web.de 


Weitere Reparaturcafés in der Region (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Übersicht Repaircafés: repaircafe.org/de/  |  www.reparatur-initiativen.de

Noch mehr Möglichkeiten…

Tausch- und Verschenkmarkt der EBU
Die Entsorgungs-Betriebe der Stadt Ulm bieten ein Portal, auf dem jede/r Gebrauchtwaren zum Verschenken oder Tauschen einstellen kann (ohne Registrierung).
www.ebu-ulm.de/tauschboerse/tauschboerse.php

Fahrradwerkstadt der Uni Ulm
Die Studierendenvertretung der Uni Ulm betreibt im Fahrradkeller unter der Mensa eine Selbsthilfewerkstatt mit Ersatzteilen zum Einkaufspreis (geöffnet: Mo und Mi, 14-16 Uhr).
stuve.uni-ulm.de/referate/fahrradwerkstatt

Mietwerkstatt Dörfler
Gut ausgestattete Kfz-Mietwerkstatt (Räume und Werkzeug), zum Reifen wechseln oder selbst reparieren, (geöffnet: Mo-Sa 8-22 Uhr), Blaubeurer Straße 69a in Ulm
www.mietwerkstatt.doerfler-ulm.com

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC)
Der ADFC Ulm/Neu-Ulm veranstaltet regelmäßig Fahrrad-Gebrauchtmärkte (z.B. Sa. 18.4. und Sa. 4.7.2020, 9-12 Uhr am Ulmer Weinhof) sowie Fahrrad-Reparaturkurse für den Eigenbedarf.
www.adfc-ulm.de