Zurück ins Holz-Zeitalter?
Ein Interview mit dem Holzbau-Experten Prof. Hermann Kaufmann
Herr Kaufmann, in den letzten 30 Jahren hat sich die Zement-Jahresproduktion auf vier Milliarden Tonnen vervierfacht. Überall schießen Gebäude aus Beton in die Höhe. Ist Holz die Lösung?
Holz ist ein Beitrag zur Lösung - dort, wo es sinnvoll anwendbar ist. Mit einem nachwachsenden Rohstoff zu bauen ist im Sinne der CO2-Einsparung sinnvoller als mit einem, der durch fossile Energie hergestellt worden ist. In unseren Gegenden gibt es viel Holz. Da ist es besser, den Baustoff nicht zu verbrennen - oder für kurzlebige Produkte einzusetzen. Die CO2-Einsparung fällt allerdings nur dann ins Gewicht, wenn die Konstruktion eines Hauses aus Holz umgesetzt wird, denn da wird das meiste Material benötigt. Im Gegensatz zu einem Haus, bei dem nur die Fassade aus Holz ist. Das Bauwesen ist verantwortlich für rund 40 Prozent des CO2-Ausstoßes und Energieverbrauchs. Außerdem für weit mehr als die Hälfte des Abfalls. Der ist zudem bisher schlecht recycelbar, weil beim Hausbau nicht darauf geachtet wird, wie das Haus irgendwann wieder zurück gebaut werden könnte. Wie die Materialien wieder in den Stoffkreislauf gelangen können.
Haben wir tatsächlich genug Holz?
In Deutschland wachsen jährlich rund 121 Millionen Festmeter Holz - 76 Millionen werden geerntet. Mit einem Drittel der Erntemenge wäre es möglich, sämtlich Neubauten in Holz zu bauen. Zurzeit wird hauptsächlich Fichte genutzt, weil sie über Jahrhunderte in unseren Wirtschaftswäldern kultiviert worden ist.
Stimmt es, dass wir in Europa heute mehr Wald haben als vor 100 Jahren?
Ja, das weiß man. Der Wald wächst. 50 Prozent des Holzes werden derzeit energetisch verwertet.
Eine befreundete Architektin meinte kürzlich entschieden: Wer ein Holzhaus will, möge sich ein Chalet auf dem Land anschaffen! Dabei waren vor Jahrhunderten viele städtische Häuser aus Holz. Zumindest in Form von Fachwerk ist es noch präsent. Passen Holzhäuser trotzdem nicht mehr in die Stadt von heute?
Sie passen auf jeden Fall: In München entsteht gerade ein Stadtteil, der aus einem Drittel aus Holzgebäuden bestehen wird – fast 600 Wohnungen. Holz hat sogar mehr Berechtigung, weil es sehr stört, wenn irgendwo in der Stadt ein Haus gebaut wird und es deshalb lange eine Baustelle gibt. Holz kann man sehr gut vorfertigen, man kann also schnell bauen; in einem Fünftel der Zeit. Man kann auch leicht bauen, braucht weniger Transportkapazitäten. Und natürlich spielt auch in der Stadt eine Rolle, wie wir es schaffen können, das Bauwesen klimaneutral zu machen. Das Bauen mit Holz muss in die großen Strukturen rein, in die Stadt. Es wurden ja schon Hochhäuser aus Holz gebaut: das „HoHo“ in Wien, ganz neu, mit seinen 24 Stockwerken. Natürlich wird man im städtischen Bereich nicht überall unbehandelte Holzfassaden bauen, das Gebäude soll sich ja ins Umfeld einordnen. Aus meiner Sicht ist das durchaus legitim. Ein Holzbau muss sich nicht zwingend als solcher nach außen zeigen.
Im österreichischen Vorarlberg, wo Sie ja herkommen, tragen etliche Häuser ein Schuppen-Kleid. Diese Schindeln, die allerdings eben wieder aus Holz sind, schützen das Haus vor Wind und Wetter. Wie robust sind denn Holzhäuser?
Ja, Schindeln sind um 1900, als man Nägel in Fabriken plötzlich massenhaft herstellen konnte, verstärkt als zusätzliche Haut zum Schutz des Hauses verwendet worden. Schindeln halten mindestens 50 Jahre. Holz ist in seiner Robustheit mit anderen Materialien vergleichbar. Die heutigen Häuser in Holzkonstruktion müssen Wind, Erdbeben und Schnee standhalten können. Das wird alles berechnet. Der größte Feind des Holzes aber ist das Wasser: Feuchtigkeit, die ins Holz eindringt und nicht austrocknen kann, zerstört es. Ich muss also ein Haus so konstruieren, dass keine Feuchteschäden auftreten, die Fassaden müssen dicht sein, es muss so gebaut sein, dass es gut geschützt ist. Holzbau erfordert eine gute handwerkliche Umsetzung.
Nochmal zurück zu den Holzhäusern in der Stadt. Holzhäuser gelten als Mittel gegen die grassierende Wohnungsnot.
Ja, es ist relativ einfach zwei, drei Geschosse - je nach Unterbauten - eines bestehenden Gebäudes aufzustocken. Holz ist leichter als Beton. Mit Beton geht vielleicht nur eines. Wenn man aufstockt, muss man außerdem erstmal das Dach des bestehenden Gebäudes wegnehmen, also den Wetterschutz, meistens wohnen Leute darin - daher muss die Bauzeit sehr kurz sein und das ist der große Vorteil eines vorgefertigten Holzbaus.
Vermutlich sind die größten Ängste, die Menschen daran hindern, in ein Holzhaus zu ziehen: Es kann brennen. Man denkt vielleicht daran, dass im Mittelalter ganze Viertel niedergebrannt sind, weil man mit offener Flamme gekocht hat und die Häuser noch aus Holz waren. Eine Horrorvorstellung. Wie gefährlich ist es tatsächlich, heute in einem Holzhaus zu wohnen?
Absolut ungefährlich. Es gibt statistische Zahlen, die nachweisen, dass Holzhäuser nicht mehr Brandorte verursachen als konventionell gebaute Gebäude.
Es ist außerdem so: Erstmal brennt der Teppich, der Vorhang, das Sofa - die Holz-Konstruktion brennt da noch lange nicht. Die Menschen ersticken am Rauch. Und die Gefahr hängt auch vom Verhalten der Bewohner ab: Die meisten Brandtote gibt es bei alleinwohnenden, über sechzigjährigen Männern, die rauchen.
Ob die in einem Holzbau leben oder in einem konventionellen Haus, spielt keine Rolle. Bei Feuerwehrleuten gilt der Spruch: „Holz brennt sicher.“ Heißt: Sie sind eher in der Lage, ein brennendes Holzgebäude zu betreten als ein anderes. Denn sie sehen es der Konstruktion an, wann sie versagen wird. Der Brand frisst sich in einer Minute 0,7 Millimeter in den Holzbalken, der verkohlt, hinein. In 60 Minuten sind das gut vier Zentimeter. Wenn ein Stahlträger erhitzt wird, dann geht er schnell in die Knie. Und man wird nicht vorgewarnt. Manchmal werden allerdings auch in Holzgebäuden Fluchtwege in Beton gehalten.
Wo sind die Grenzen von Holz?
Es gibt Gebäude, die aus einem besonders schweren Baustoff gemacht werden müssen, zum Beispiel Laborgebäude, die nur wenig Erschütterungen oder Schwingungen tolerieren oder Konzertsäle, die besonders lärmgeschützt sein müssen. Und es ist zu hoffen, dass es in Zukunft genug Zimmerleute geben wird, um den rasant steigenden Bedarf an Holzbauten stemmen können.
Für Sie ist Holz der Baustoff der Zukunft schlechthin?
Auf jeden Fall. Wenn wir es sinnvoll verwenden und nicht der Verbrauch so aus dem Ruder schlägt, dass wir unsere Wälder roden wie im Mittelalter. Aber Holz ist auf jeden Fall das Material vor der Haustür und zu schade, um es nur zu verbrennen.
Welche Länder sind Holz-in-der-Stadt-Vorreiter? Mal wieder Asien?
Nein, die haben das Handwerk und die Technologie nicht. Im Alpenbogen, also Österreich, Deutschland, Schweiz und auch in den nordeuropäischen Ländern befinden sich die Treiber der neuen Entwicklungen.
Isabella Hafner