Grüne Pläne für den "Weinberg"
Wie wollen wir künftig in unseren Städten leben? Bei der Planung des neuen Stadtquartiers "Am Weinberg" geht es neben der Schaffung von möglichst viel Wohnraum auch um ökologische Aspekte und die Frage, wie man im urbanen Umfeld mit Klimawandel und Artensterben umgeht. Derzeit läuft die Vergabe für den zweiten Bauabschnitt. Noch bis Mitte Februar können Anträge von Baugemeinschaften eingereicht werden.
Der Bebauungsplan „Am Weinberg“ von 2018 legt für das insgesamt 9 Hektar große Areal der ehemaligen Kaserne nur Flächen und Geschosshöhen der möglichen Gebäude fest. Schrittweise werden die einzelnen Bauabschnitte jetzt zur Vergabe ausgeschrieben, wobei ein fester Anteil für Baugemeinschaften reserviert ist. Aktuell stehen 9 Baufelder zur Vergabe, etwa die Hälfte der Gesamtfläche. Bis April 2021 will der zuständige Ausschuss über die Gewinner entscheiden. Dabei wendet die Stadt ein Verfahren an, das bereits am Safranberg erfolgreich war.
„Die Bezeichnung 'Ulmer Vergabe' steht für eine Konzeptvergabe. Wir hoffen damit, im Rahmen der vorgegebenen Kennzahlen möglichst innovative und spannende Ideen der Bewerber zu erhalten“, so die Projektverantwortliche Laura Schauppel von der Stadt Ulm. Als Bewerbung wird ein Nutzungskonzept für die ausgeschriebenen Baufelder erwartet. Nachdem ein Auswahlgremium aus Mitgliedern der Gemeinderats-Fraktionen, Vertretern der Verwaltung sowie externen Beratern die Gewinner benannt hat, geht man mit diesen in die zweite Phase der konkreten Hochbau-Planung. Erst wenn die Baugenehmigung vorliegt, wird ein Kaufvertrag abgeschlossen. „Damit behält die Stadt möglichst lange das Heft in der Hand, um die Umsetzung der Konzepte begleiten zu können.“
Der Ausschreibung liegt ein breiter Katalog von Kriterien bei, denn die Pläne für die Quartiersentwicklung sind ambitioniert. Die Stadt möchte ein urbanes Wohnquartier mit möglichst durchmischter Bewohnerstruktur schaffen, das gleichermaßen Raum für gewerbliche, soziale und kulturelle Nutzungen bietet. Die Crux liegt im Kompromiss zwischen einer möglichst dichten Wohnbebauung und dem Anspruch auf „großzügige, begrünte Stadträume“. Denn grün soll es auf jeden Fall bleiben in dem neuen Stadtviertel mit dem naturverbundenen Namen „Am Weinberg“. Das wurde schon bei der Bürgerbeteiligung 2018 deutlich.
Raum für Artenvielfalt schaffen
„Das Einbeziehen stadtökologischer Zusammenhänge ist heute Standard in der Bauplanung. Viele Städte gehen dabei mit guten Beispielen voran“, sagt Jutta Andreas. Die zweite Vorsitzende des Ulmer BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) hat das Projekt „Am Weinberg“ während der Beteiligungsphase intensiv begleitet. Die Vorschläge des Umweltverbands wurden in Ulm schon zu diesem frühen Zeitpunkt aufgenommen und fanden u.a. Eingang in das Gestaltungskonzept des neuen Quartiers. „Es kam alles auf den Tisch und wir haben den Eindruck, dass die Stadt durchaus Interesse an einer ökologisch nachhaltigen Gestaltung hat.“ Welchen Stellenwert dies in den konkreten Plänen der Architekten erhält, werden wir am Eselsberg bald zu sehen bekommen.
Im zugehörigen „Gestaltungshandbuch für Freiräume“ sind u.a. Vorschläge für die Vermeidung von Vogelkollisionen an Glasfenstern, Artenlisten für die Bepflanzung und Empfehlungen zur Förderung der biologischen Vielfalt zu finden. Seit 2019 gibt es in Ulm dazu ein Programm, das vor allem Zuschüsse für die Fassadenbegrünung und Nisthilfen für gebäudebewohnende Vogel- und Fledermaus-Arten bereitstellt und kürzlich nochmals erweitert wurde. Denn grüne Fassaden können einen erheblichen Beitrag zu einem besseren Mikroklima auch an heißen Tagen leisten. Für die Dachflächen ist – wie bei Neubauten in Ulm inzwischen üblich – durchgängig eine Begrünung in Verbindung mit mindesten 30 % Photovoltaikflächen vorgeschrieben.
Große Bäume als „grüne Lunge“ wird es vermutlich nur im Bereich des zentralen „Boulevards“ geben. Schmale Vorgärten, begrenzte Innenhöfe und die geringe Bodenauflage über den Tiefgaragen bieten wenig Möglichkeiten für ausladende Stadtbäume. Eine zu starke Beschattung der Fassaden ist zudem aus energetischen Gründen nicht erwünscht. Wichtig ist daher für Jutta Andreas vor allem eine sinnvolle Mischbepflanzung aus Bäumen, Sträuchern, kleinen Hecken sowie mehrjährigen als Insektennahrung geeigneten Stauden- und Blumenbeeten, um gute Bedingungen für eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt zu schaffen. Auch sollten Pflanzen ausgewählt werden, die zu unterschiedlichen Zeiten blühen, um ein möglichst durchgängiges Futterangebot für Insekten zu garantieren. Vor allem aber zählt für den BUND die Vernetzung des „Weinbergs“ mit den bestehenden Grünstrukturen am Eselsberg westlich des neuen Wohngebiets und südlich mit dem Fort Unterer Eselsberg. Dort gibt es bereits interessante Lebensräume mit verschiedenen Fledermäusen und anderen seltenen Arten.
Ist also bis zum Bezug des Stadtviertels alles im grünen Bereich? „Entscheidend ist für mich, dass die im Quartier lebenden Menschen mitgenommen werden und ein Bewusstsein für die Bedeutung dieser ökologischen Maßnahmen entwickeln. Nur so können wir den Erfolg langfristig sichern“, ist Jutta Andreas überzeugt. „Für Viele ist dazu sicher noch ein Umdenken von kurzgeschorenen Rasenflächen und sauber aufgeräumten Gärten notwendig.“ Der BUND ist jedenfalls gerne bereit, diese Transformation zu begleiten und steht mit entsprechenden Informationsangeboten zur Verfügung. Denn schließlich ist auch der Mensch Teil des urbanen Ökosystems und profitiert von diesen Maßnahmen.
Thomas Dombeck
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