Wir können Wärmewende!

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Wir können Wärmewende!

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Allerorts herrscht Verunsicherung ob der neuen Bestimmungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) von 2023, die von Vielen aber auch herbeigeredet wird. Angst war noch nie ein guter Ratgeber in Zeiten des Wandels. Deshalb will agzente plus Ideen und Möglichkeiten für klimagerechtes Heizen aufzeigen. Was ändert sich überhaupt im privaten Bereich?

Einer, der es wissen muss, ist Roland Mäckle, Leiter der Regionalen Energieagentur Ulm (REA). Zur Zeit ist er wohl einer der meistbeschäftigten Experten in der Region. Mit seinem Berater-Team klärt er auf und hat schon tausende Haushalte beraten, wie die Energiewende im individuellen Rahmen gelingen kann. Stellt nun das neue GEG im Heizkeller alles auf den Kopf? Roland Mäckle winkt ab. „Im Grunde haben wir die meisten Vorschriften schon viel länger, etwa in Form des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes von 2010. Neu ist nur das 65-Prozent-Ziel für erneuerbare Energien bei neu eingebauten Heizungen. Und das brauchen wir auch dringend, wenn wir bis 2045 klimaneutral werden wollen.“

Für alle laufenden Anlagen gilt Bestandsschutz. Wer aktuell noch eine Gasheizung einbauen will, erhält lange Übergangsfristen, um das 65-Prozent-Ziel zu erreichen. Das „Wie“ entscheidet jeder selbst. Der Profi rät zur Gelassenheit: „Cool bleiben und die Entwicklung beobachten ist jetzt angesagt. Wer nicht zwingend sanieren muss, sollte abwarten, bis die Situation klarer wird“, meint Mäckle. Dass 2023 der Absatz von Gasheizungen boomte, ärgert ihn. Das Resultat einer beispiellosen Verunsicherungs-Kampagne, die alles andere als zielführend ist. Allein durch die schrittweise Erhöhung des CO2-Preises werden die Öl- und Gaspreise bis Ende des Jahrzehnts stark ansteigen. Langfristig also ein schlechtes Geschäft. Auf der anderen Seite gilt trotz der aktuellen Einsparungen nach wie vor eine staatliche Förderquote von bis zu 70 Prozent für klimafreundliche Heizungen.

Reformstau

Betrachtet man die anstehenden Reformen nüchtern, so scheint das Problem eher der Drang, an Bewährtem festzuhalten, der uns Deutsche so häufig umtreibt. Ja, die einheitliche Gastherme in jedem Haushalt hat ausgedient, aber welche Rolle spielt es denn, ob in 20 Jahren unser Heim mit Strom, Erdwärme oder der Sonne beheizt wird? Eines der reichsten Länder der Erde sollte es wohl hinbekommen, die oft selbst produzierten Technologien auch im eigenen Land einzuführen und dabei niemanden im Regen stehen zu lassen. Auch wenn es bei der Umsetzung noch hakt, leisten die von uns gewählten Politikerinnen und Politiker durchaus mehr, als wir ihnen derzeit unterstellen. Wer der eigenen Regierung das Regieren nicht zutraut, hat es schwer, sich auf Veränderungen einzulassen. 

Frei erfundene Heizhammer-Horrorvisionen von den anstehenden Zumutungen nutzen in erster Linie den Auflagen der Springer-Medien und den Radikalen, die die Realität nach ihrem Gusto verbiegen. Wer hat aus den Reihen von AfD & Co. schon einen einzigen konstruktiven Vorschlag zur Lösung der drängenden Zukunftsfragen gehört? Ein „weiter so“ oder zurück zu alten Traditionen gibt es in unserer derzeitigen Lage schlichtweg nicht. Bereits jetzt fällt uns der Klimawandel zunehmend auf die eigenen Füße.

Gemeinsam aktiv werden

Je länger wir abwarten, desto kürzer wird die Zeit, die uns zur Veränderung noch bleibt. Etwas mehr Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten wäre angebracht. Roland Mäckle spricht lieber von den vielfältigen Möglichkeiten, die sich bieten, wenn Ideen und Gemeinschaftssinn aufeinandertreffen. „Es gibt keine Einheitslösungen für alle Häuser, doch überall bieten sich Möglichkeiten, die Handlungsoptionen vor Ort eröffnen. Ist das Projekt für einen Haushalt zu teuer, sollte man sich mit anderen zusammenschließen.“ In einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels sind es ja auch menschliche Beziehungen, die uns resilient machen gegen die Unsicherheit. Sich in einer Nachbarschaftsgemeinschaft zusammenzutun, bring mehr, als auf X, Twitter oder wie auch immer die Meinung der anderen zu haten.

Im Gemeinschaftseigentum sind auch größere Projekte wie etwa ein Blockheizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung finanzierbar. Dafür gibt es spezielle Fördergelder und zinsbegünstigte Kredite. Durch das gleichzeitige Erzeugen von Strom und Wärme entfaltet die eingesetzte Energie maximale Wirkung und kann auch große Wohnanlagen mit hohem Wärmebedarf versorgen. Als klimafreundliche Energieträger kommen Pellets, Biomasse oder Biomethan in Frage, aber auch Brennstoffzellen, soweit grüner Wasserstoff zur Verfügung steht. Vor allem in ländlicheren Gebieten, wo es keine Fernwärme gibt, bieten sich lokale Wärmenetze an, z.B. in Verbindung mit einer Biogas-Anlage. Dabei kann die Wärme zentral erzeugt und über Leitungen abgeführt oder auch das Biogas direkt an die Haushalte verteilt werden. Auch die SWU betreiben bereits eine Reihe lokaler Wärmenetze am Stadtrand mit unterschiedlichen Energiequellen.

Die heute verbreiteten Luft-Wasser-Wärmepumpen stoßen vor allem in dicht besiedelten Stadtgebieten wegen der Geräuschentwicklung und mangelndem Platzangebot an ihre Grenzen. Außerdem muss bei sehr kalten Temperaturen in der Regel zugeheizt werden, was die Ökobilanz verschlechtert. Eine platzsparende Alternative sind Grundwasser- oder Erdwärmepumpen, die die konstanten Temperaturen unter der Erdoberfläche nutzen und damit erheblich höhere Wirkungsgrade erzielen können. Um die praktisch unbegrenzte Geothemie anzuzapfen, sind Tiefbohrungen bis zu 100 Meter notwendig (Kosten rund 20.000 Euro, je nach Untergrund). Die damit verbundenen Investitionen sind für einzelne Haushalte meist zu hoch, können in Gemeinschaften aber durchaus realisiert werden.

Lasst die Sonne rein

Auch die Sonne ist eine kostenlose Wärmequelle, die wir nicht ungenutzt lassen sollten. In Kombination mit anderen Energieträgern können Solarkollektoren auf dem Dach bereits in überschaubaren Größenordnungen bis zur Hälfte der benötigten Warmwasser- und Heizenergie liefern. Bei relativ geringen Investitionskosten sind pro Quadratmeter unter guten Bedingungen rund 600 Kilowattstunden Wärmeenergie im Jahr zu ernten. Oft ist auch eine Nachrüstung der bestehenden Heizungsanlage möglich. Wer langfristig plant, kann vor allem bei Neubauten aber auch nahezu den gesamten Wärmebedarf mit Solarenergie decken. Der Traum vom Sonnenhaus ist bereits Realität.

Ein Pionier ist der Schweizer Ingenieur Josef Jenni. Seit den 1970er Jahren betreibt er ein Unternehmen, dass sich auf die Konstruktion von Solarhäusern spezialisiert hat (www.jenni.ch). Bereits im Jahr 2007 gelang es ihm, ein zu 100 Prozent solar beheiztes Mehrfamilienhaus zu bauen. Neben leistungsfähigen Solarkollektoren, passiver Nutzung der Sonne und guter Wärmedämmung ist ein passender Wärmespeicher das Herzstück der solaren Heiztechnik. Um den gesamten Winter zu überbrücken, kommt es letztlich nur auf die Größe an. Jenni Energietechnik bietet dazu optimierte Schichtspeicher mit bis zu 300 Kubikmetern Inhalt an, was für große Mehrfamilienhäuser ausreicht. Das Sonnenhaus wird dann in der Regel um den Speicher herum gebaut.

So aufwändig gestaltete Gebäude sind im Bestand meistens nicht möglich. Am Ende zählt aber jede solar eingesparte Kilowattstunde an Heizenergie, die uns der Abkehr von fossilen Rohstoffen näher bringt.

Thomas Dombeck