• Jochen Anger vor dem knallroten Hennenhaus. Foto: Isabella Hafner
  • Birgit Köhler in ihrem Permakultur-Garten. Foto: Isabella Hafner
  • Schneckenzaun im Permakultur-Garten. Foto: Isabella Hafner
  • Annette Mennignhaus in ihrem idyllischen Garten. Foto: Isabella Hafner
  • Der Garten von Annette Mennignhaus. Foto: Isabella Hafner
  • Der prachtvolle Garten lädt zum Träumen und Naschen ein. Foto: Isabella  Hafner

Gärtner im Glück

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Gärtner im Glück

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Die Zeit ist wieder gekommen, in der die Natur explodiert. In der sie immer wieder Menschen fassungslos macht, welche Energie sie im Winter gebunkert hat, um dann all die Farben, Knospen und Früchte plötzlich so verschwenderisch zu präsentieren. Drei Menschen aus der Gegend erzählen von ihren Gärten.

Der Garten für alle
Vor zehn Jahren hat sich Familie Anger ein altes Haus in Jungingen gekauft. Der riesige Garten mit den gestandenen Obstbäumen hat sie rumgekriegt. Sie haben daraus ein Paradies für Hennen, Igel, Vögel, Bienen, sich und ihre Kinder gemacht. Und so rennen Berta, Dejey, Nugget, Madame Poulet und Chick freudig zu ihrem Hausherrn Jochen Anger, wenn der ihnen nach dem Mittagessen eine Schüssel Nudeln mit Sauce ins Gras stellt. Sofort picken die Damen los. Jochen Anger schwärmt davon, wie schön es sei, Hennen zuzugucken: „Die sind wie Menschen. Wenn die eine das hat, wollen es die anderen auch.“ Doch sie sind auch praktisch. Jeden Morgen gibt’s im Schnitt drei Eier, die Hennen fressen Schnecken und düngen mit ihrem Kot das Gras. Man muss sie nur morgens aus dem Hennenhaus lassen und abends wieder rein.

Das knallrote Hennenhaus aus Holz steht auf Rädern, damit es verschoben werden kann, um den Rasen zu schonen. Jochen Anger hat es selbst gebaut. Wie vieles hier. Der Garten ist ein einziges Projekt. Sogar den Pizzaofen hat er selbst gebaut und in den Mini-Hang integriert. Drum herum hat er einen Steingarten mit Weg angelegt und auch die Gartenkreuzung kann sich sehen lassen: Wie im Klostergarten wirkt die Buchshecke mit den vier Wegen.

Dahinter tut sich neben des „Gärtners Gold“, wie er sagt, - dem fünf-Quadratmeter-Kompost - ein mehr als 100 Quadratmeter großes Gemüsebeet auf. Es gibt im Sommer fast nichts, was es nicht gibt: Radieschen, Rhabarber, Zwiebeln, Salat, Paprika und vieles mehr. In einem aus Paletten, Restholz und Folie gezimmerten „Schrank“ stehen die Tomaten wohl behütet und überall Apfelbäume, die pro Baum etwa 300 Kilo abwerfen. Dann noch die Birne, Ringlotte, Zwetschge und die Beerenhecken. Aus all dem wird bei den Angers Marmelade und Saft. „Und bis ins Frühjahr ist die Gefriertruhe voll.“

Im letzten Winkel gibt’s eine Feuerstelle für Grillparties und ein Trampolin neben dem Stapel aus geschichtetem Baumschnitt, der sich absenkt und Humus bildet. Anger duckt sich, schiebt ein paar Grashalme zur Seite und sagt: „Hier wohnt ein Igel.“ Überhaupt, viele Insekten überwintern darin. „Es wurde sogar schon ein Zaunkönig gesichtet“, erzählt er. Aber für die Bienen hat er es noch komfortabler gemacht. Die dürfen ins Hotel. Allerdings sind sie wählerisch. Das linke Holzbrett lieben sie; das andere lassen sie einfach rechts liegen.

Der Garten wirkt picobello, obwohl Anger tatsächlich Disteln im Beet findet, um das Gegenteil zu beweisen. Und Stockrosen, die da einfach so gewachsen sind. Aber die sind auch wunderschön. Genauso wie die wilden Margariteninseln. Ja, der Garten ist für den Musiklehrer des Ulmer Schubart-Gymnasiums, der vormittags das Schülergeplapper gewohnt ist, eine Oase der Ruhe. Aber das Herumgezwitschere der Vögel? Er lacht. „Ach was!“ Der Musiklehrer hört darin wohl die „Vogelhochzeit“…

Was Insekten lieben
Spätestens seit dem bayerischen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ Anfang dieses Jahres ist den meisten klar: Nicht nur die Landwirte - jeder kann etwas für die Insekten tun. Auch wenn er nur einen Balkon hat; oder ein Fensterbrett. Einfach mal die Geranien reduzieren, die bringen nämlich fast nichts, weil sie kaum Pollen bieten. Insekten stehen auf Salbei und Lavendel. Das kann man gut dazwischen pflanzen. Auch Rosenfans sollten aufpassen: Viele Schmetterlinge und Bienen haben Probleme an die Pollen zu kommen, weil viele Blüten zu verschlossen sind. Eine Ausnahme sind die kleineren Hecken- oder Bodendeckerrosen. Gartenexperten raten auch dazu, für das ganze Jahr über eine Pflanze für Insekten einzuplanen. Im Frühling kann es der rosa Duftschneeball sein, gefolgt von der zitronengelb blühenden Kornelkirsche… Im Gegensatz zur beliebten - ebenfalls zitronengelben - Forsythie finden Bienen bei ihr viele Pollen. Auch der Flieder ist eine gute Wahl: Den Sommer hindurch wimmelt er nur so von Insekten und schön ist er auch, mit seinen unterschiedlichen Pastelltönen. Im Herbst kehren die Insekten gerne in den Blüten des sogenannten Bienenbaum (heißt wirklich so) ein.

Im Garten Permakultur-Ideen integriert
Peace and harmony. Geht auch unter Pflanzen: In den vier Hochbeeten, die die Köhlers aus Thalfingen zusammen gezimmert haben, sowie dem großen „normalen“ Beet, dem Mini-Mais- und Kartoffelfeld sowie dem Gewächshaus ist das die gelebte Realität von etwa 30 selbst gezogenen Gemüse- und 10 Kräutersorten. Zu denen zählen selbst Artischocken, Mais und schwarze Tomaten. Statt sich zu verdrängen, beschützen sie sich gegenseitig. Salatpflänzchen mögen es schattig, deshalb werden sie von Kohlrabi-Blättern beschirmt. Zucchini breiten sich nicht herrschsüchtig auf dem Boden aus, sondern wachsen einfach an den schräg gestellten Kompostgittern im Beet hoch. Perfekte Salat-Markise.

Die Studentenblumen in der Beetmitte verscheuchen mit ihrem Geruch Schädlinge, die es auf ihre Nachbarn, die Karotten, abgesehen haben. Dabei bekommen sie Unterstützung von den Zwiebeln. Die Erbsen und Bohnen tragen Stickstoff in den Boden ein, sodass danach auch viele andere Pflanzen dort perfekt wachsen können.

Die Realität ist aber auch: Zufällig haben sich die Pflanzen hier nicht zusammen gefunden. Birgit Köhler hat sie sorgfältig arrangiert - mit dem Wissen im Kopf, das sie sich in vielen Büchern angelesen hat. Die 40-jährige Ingenieurin und ihr Mann sind fasziniert vom Prinzip der Permakultur, bei dem man den Garten so gestaltet, dass sich die möglichst vielfältigen Pflanzen auf natürliche Weise selbst regulieren. Sie versuchen, so viel wie möglich davon auf ihren Garten zu übertragen. Mit selbst gebrauter Brennnessel-Jauche werden Schädlinge verjagt und mit Rasenschnitt wird fleißig gemulcht, um Unkraut zu unterdrücken, den Boden vor dem Austrocknen zu schützen und Kleinstlebewesen eine Chance zu geben. „Nur die Schnecken verstecken sich leider auch darunter.“

Schneckenkorn oder Bier-Ersäufungs-Becken sind nichts für die Veganerin. „Die kriegen von mir nen Freiflug über den Zaun“, sagt sie und lacht. „Ob sie zurück kommen? Keine Ahnung…“ Das große „normale“ Beet allerdings ist umgrenzt von einem Schneckenzaun. Eine nach außen abgeschrägte Metalleinfassung. Die Schnecken schaffen es nicht, den spitzen Winkel zu überwinden.

Zum ausgeklügelten Prinzip gehört es auch, dass sich Karotten- und Radieschensamen in einer Reihe abwechseln. „Wenn die Radieschen reif sind, bekommen die Karotten gerade Mal leichtes Kraut.“ Genauso wachsen Kartoffeln und Tomaten nebeneinander; die einen nach oben, die anderen halt nach unten. „Wir versuchen, den Platz auf allen Ebenen zu nutzen. Pflanzen ergänzen sich in ihren Eigenschaften sehr gut. Und es soll ja auch nicht unten alles eng werden und oben buschig. Sooo viel Fläche haben wir auch nicht, um unsere vierköpfige Familie zu versorgen - selbst wenn unser Selbstversorgungs-Grad im Sommer bei 50 Prozent liegt.“

Um auch im Winter noch etwas aus dem Garten erbeuten zu können, pflanzt Birgit Köhler Lauch, Kohl und Karotten nochmal im Juli; Asia-Mix-Salat und Feldsalat im August. Im Sommer verarbeitet sie die Beeren zu Marmelade: Japanische Weinbeeren, Physalis, Erd-, Johannis-, Stachel-, Heidel- und Honigbeeren. Rhabarber wird zu Sirup, Tomaten zu Sauce.
Experimentieren ist Birgit Köhlers große Leidenschaft. Kürzlich fuchste sie sich in die Sauerkraut- und Kimchi-Produktion hinein. Milchsaures Einlegen. „Heute habe ich etwas Spannendes gelesen: Zuckerhut muss man nur mit den Wurzeln aus dem Boden ziehen, mit Zeitung in einen Eimer stecken und er hält im Keller ein halbes Jahr.“ Doch jetzt soll es erstmal sprießen, was das Zeug hält: Let the sun shine!

Der Garten als Heilung
Nur das mintfarbene Holzgatter öffnen und es geht hinein in einen prachtvollen Schrebergarten, der auf mehreren Etagen und unweit der Donau zum Staunen, Träumen und Naschen anregt. Treppchen führen hinunter über die unterschiedlichen Ebenen, durch einen eingewachsenen grünen Tunnel, vorbei an Quittenbäumen, knallorangenen Ringelblumen, lila Thymian-Teppichen,  Lavendel, einem Bassin mit Regenwasser; und, ach ja! Vorbei an nackten Frauenfiguren, die sich zwischen den Blumen zu sonnen scheinen oder sich von Bienen umschwirren lassen. Der Garten wirkt putzmunter und lebendig. Genauso wie Annette Menninghaus, die ihn vor etwa 30 Jahren angefangen hat zu pachten.

Er war auch ein Teil ihrer Heilung. „Ich hatte damals Brustkrebs und musste mit den Händen in den Boden.“ Und in den Ton. Zu dieser Zeit begann sie nämlich mit ihrer großen Leidenschaft, dem Töpfern. Diese Leidenschaft spiegelt sich in diesem Garten genauso wieder. Und was passierte: Tatsächlich wurde Annette Menninghaus gesund. Die pensionierte Lehrerin mag das chinesische Sprichwort: „Wer einen Tag lang glücklich sein will, der betrinke sich. Wer einen Monat lang glücklich sein will, der schlachte ein Schwein und esse es auf. Wer ein Jahr glücklich sein will, der heirate. Wer ein Leben lang glücklich sein will, der werde Gärtner.“

Eine Seltenheit für Ulmer Gärten sind sicherlich ihre beiden Maulbeerbäume, die im Sommer  brombeerähnliche Früchte abwerfen und die Finger lila färben. In Italien ernähren sich die Schmetterlingsraupen liebend gerne von diesen süßen Beeren. Und auch bei ihr flattern die Schmetterlinge durchs Paradies. Versteckt in einer anderen Ecke, hinter einer Schaukel, befindet sich ein kleiner Holzverschlag: Annette Menninghaus’ Plumpsklo. Sie lacht und sagt: „Das funktioniert wunderbar mit Sägemehl und riecht gar nicht und ist auch ganz natürlich!“

Das Herzstück des Gartens ist die - ebenfalls mintfarbene - Holzhütte, vor der ein großer Tisch steht, mit frischen Blumen in einer Vase und eine Schüssel, gefüllt mit Beeren. „Sonntags habe ich oft Gäste. Hier drin ist eine Küche, da wird dann richtig gefeiert.“ Siebenschläfer tauchten letztes Jahr allerdings in der Hütte als Special Guests auf. „Die haben alles verbissen.“ Die musste sie vertreiben. Die Igel und die Smaragd-Eidechsen dürfen gerne bleiben;

Die Sonnenblume hat sich selber angesät. „Alles darf hier wachsen. Wenn ich das will.“ Die Tomaten und viel anderes Gemüse entspringen ihrem Geacker. Viele Pflanzen hat sie vom Recyclinghof, „zum Beispiel diese schöne Rose, die war ganz klein, als ich sie bekommen habe, aber die ist so dankbar“. Der Recyclinghof gebe mittlerweile keine Pflanzen mehr ab, das findet sie schade. Annette Menninghaus huscht über ein paar Stufen von einer Terrasse zur anderen. Es scheint der ihr nichts auszumachen. Die Euphorie für ihre vielen Schätze dominiert. Sie strahlt.

Isabella Hafner