Bürgerschaftliches Engagement in Corona-Zeiten

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Bürgerschaftliches Engagement in Corona-Zeiten

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Mit Beginn der Corona-Maßnahmen im März musste auch die Infostelle von engagiert in ulm für rund 2 Monate schließen. Kein Grund für das Team, die Hände in den Schoß zu legen. Da die Vermittlung engagierter Menschen das Kerngeschäft der Ulmer Freiwilligenagentur ist, lag es nahe, auch in der Krise Hilfe für Betroffene zu organisieren.

engagiert in ulm e.V.Binnen einer Woche wurde in Kooperation mit der Stadt Ulm die „Vermittlungsstelle Corona-Hilfe“ (coronahilfe.ulm.de) ins Leben gerufen. Gestützt durch die bundesweite Freiwilligen-Plattform freinet-online.de können sich dort Helfer*innen registrieren, um wohnortnah Betroffene in Quarantäne oder Menschen aus Risikogruppen in ihrem erschwerten Alltag zu unterstützen. Sei es durch Einkäufe und Erledigungen, oder einfach, um als Ansprechpartner*in in schwierigen Zeiten da zu sein.

Die Hilfsbereitschaft war beeindruckend. „Bereits in den ersten Tagen gab es weit über hundert Hilfsangebote aus Ulm“, sagt Larissa Heusohn, die zusammen mit Gabriele Mreisi die Vermittlungsstelle betreut. Die Krisensituation offenbarte eine große Solidarität in unser Gesellschaft. „Allerdings lief die Nachfrage wesentlich langsamer an und bis heute haben wir weit mehr Menschen, die helfen wollen, als Menschen, die Hilfe annehmen“, berichtet Larissa Heusohn von ihren Erfahrungen.

Gründe gäbe es viele, denn wer zählt sich schon gerne zur „Risikogruppe“ und zieht sich freiwillig in seine Wohnung zurück? Auch musste das Angebot erst mal in der Zielgruppe bekannt gemacht werden. „Wir haben uns daher von Anfang an auf bestehende Strukturen der Nachbarschaftshilfe in den Stadtteilen konzentriert und versucht, die Angebote auf Quartiersebene zu bündeln.“ 

Mit dem „Canapé“ durch die Krise
Sehr gut funktioniert hat das z.B. in der Weststadt, wo es mit dem Canapé Café schon ein gut eingeführtes soziales Zentrum gibt. Die offene Atmosphäre des beliebten Treffpunkts in der Söflinger Straße 158 fördert das soziale Miteinander. Hier findet man immer engagierte Menschen, die auch in Notsituationen da sind. Zu den Besuchern zählen auch die Menschen, die man über Internet und Soziale Netzwerke nicht erreicht. Häufige Gäste sind z.B. Ältere, die hier Kontakte finden, Menschen, die sonst sehr zurückgezogen leben oder einfach Mitarbeiter*innen der benachbarten Betriebe, die das günstige, hausgemachte Mittagsmenü zu schätzen wissen.

Vieles verdankt das von der AG West betriebene Café dem beherzten Engagement der Sozialarbeiterin Maria Gmeiner, die hier jeder kennt. „Unser Café ist durch die Menschen geprägt. Es sind alle Schichten und Generationen vertreten und kommen miteinander ins Gespräch.“ Dies war auch der Anlass, gleich nach der Corona-bedingten Schließung des Cafés eine Hilfsaktion zu starten, um den Verlust des Treffpunkts auszugleichen. „Gerade jetzt wollen wir füreinander da sein, auch wenn das Café geschlossen bleibt,“ sagt Maria Gmeiner. Ein Flyer mit den Canapé-Insignien wurde in alle Briefkästen verteilt, der zur Nachbarschaftshilfe aufrief und diverse Kontaktangebote enthielt. 

„Anders erreicht man die Mehrzahl der Leute nicht.“ Maria Gmeiner weiß auch die Vorzüge der analogen Kommunikation zu schätzen. Bereits über 70 Haushalten konnte mit der Aktion geholfen werden. Was woanders an der Anonymität scheiterte, war in der Weststadt einfacher. 

Entwickelt hat sich dabei auch die Idee der „Corona-Patenschaften“, wobei sich die „Paten“ regelmäßig telefonisch (oder per Brief) melden, um mit den betreuten Personen über die aktuelle Situation und daraus resultierende Probleme zu reden. Häufig verschwimmen dabei allerdings die Rollen und man ruft sich einfach weiter gegenseitig an, um sich auszutauschen, wie Petra Bär aus der Wörthstraße berichtet, die es ausprobiert hat. „Man bekommt immer auch etwas zurück.“ Als treue Canapé-Besucherin freut sie sich über die regelmäßigen Telefonate, die inzwischen auch durch einen gemeinsamen Spaziergang intensiviert wurden. Gleichzeitig kauft sie für ein benachbartes Ehepaar ein. So kommen alle besser durch die Krise. 

Telefonpatenschaften ermöglichen soziales Engagement auch über größere räumliche Distanzen hinweg und für Menschen, die nicht mobil oder gerade in Quarantäne sind. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Nicht immer funktionieren Patenschaft allerdings. Schwierig wird es etwa, wenn tiefer gehende psychische Probleme zur Sprache kommen. Maria Gmeiner und ihr Team bieten deshalb u.a. auch eine psychologische Supervision für Telefonpaten an.

Weitere Angebote von engagiert in ulm
Für das Bürgerschaftliche Engagement war die Corona-Situation ein wesentlicher Impuls. Vielen wurde dadurch bewusst, dass es soziale Isolation und Einsamkeit nicht nur in der Krise gibt und viele Mitbürger*innen auf sich gestellt bleiben. Deshalb hofft auch das Team von engagiert in ulm auf ein Anhalten der neuen Solidarität. „Hilfe durch engagierte Menschen wird ständig und in unterschiedlichsten Lebensbereichen gebraucht“, sagt dazu Leiterin Gabriele Mreisi und verweist auf die Engagement-Datenbank unter www.engagiert-in-ulm.de, in der rund 250 ehrenamtliche Engagements von verschiedenen Ulmer Organisationen angeboten werden. Ab Mitte Mai ist auch die Infostelle in der Radgasse 8 wieder regulär geöffnet und bietet persönliche Beratung und Infos rund um‘s Thema Ehrenamt, die Ulmer FreiwilligenCard und vieles mehr an. Bitte beachten Sie bei Ihrem Besuch die aktuellen Hygiene-Bestimmungen und Abstandsregeln! 

Die Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg lässt Veranstaltungen und Fortbildungen der „Akademie für Bürgerschaftliches Engagement und Gemeinwesenarbeit“ leider weiterhin nicht zu. Die meisten Termine sollen daher im Herbstprogramm nochmals angeboten werden, das voraussichtlich im September erscheint und dann auch auf www.engagiert-in-ulm.de zu finden ist. 

Wie berichtet ist engagiert in ulm seit 2019 einer von 50 DiNa-Treffs in Deutschland. Der namensgebende Verein „Deutschland sicher im Netz e.V.“ bietet während der Corona-Einschränkungen unter www.digitale-nachbarschaft.de zahlreiche Webinare für Vereine zu Themen der Digitalisierung an. In der Freitagnachmittag-Reihe „Nachmit-Talk mit der Digitalen Nachbarschaft“ stehen Möglichkeiten und Techniken der Online-Kommunikation und -Zusammenarbeit im Mittelpunkt, damit die Vereinsarbeit auch Online weitergehen kann. Vorgestellt werden u.a. Plattformen für Videokonferenzen, Instant Messaging und Projektzusammenarbeit.