Ulm beim Verpackungsmüll auf den vorderen Plätzen

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Ulm beim Verpackungsmüll auf den vorderen Plätzen

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Joghurtbecher, Milchtüte, Dose der passierten Tomaten – wandert alles in die gelbe Tonne. Ja, wäre das tatsächlich so, würden die Müllmänner strahlen vor Glück. Aber die Realität ist: In der Gelben Tonne ist viel, was gar nicht da reingehört: Kartoffelnetze, die ja eigentlich dürften. Aber was machen denn die schrumpeligen Kartoffeln noch da drin? Und warum ist noch der halbe Joghurt im Becher? Oder die Windeln?

Ulm ist, verglichen mit anderen Städten in Baden-Württemberg nicht nur beim Verpackungsmüll weit vorn: 5060 Tonnen sind es im Jahr. 40 Kilogramm bringt im Schnitt jede Einwohnerin und jeder Einwohner zusammen. In anderen Landkreisen des Landes sind es dagegen 27 bis 34 Kilogramm pro Person. Verpackungsmüll wird aber auch generell mehr, stellt der Sprecher des Entsorgungsunternehmens Remondis, Klaus Thielmann, fest. Denn immer mehr Menschen bestellen übers Internet, selbst Supermärkte bieten Lieferservice an. All die Produkte in den Kartons sind meist vielfach verpackt. 

Was aber mit Blick auf Ulm eben noch markanter ist: Es werden nonchalant jede Menge Reste in die Gelbe Tonne geworfen, die nicht dafür bestimmt sind – alles sogenannter Störstoffanteil. Thielmann: „Wir stellen fest: Je größer die Stadt, desto weniger gibt es eine soziale Kontrolle. Das heißt, es schaut keiner, ob das, was der Nachbar in die gemeinsame Tonne des Mehrfamilienhauses gesteckt hat, da auch wirklich hingehört.“ Es werde achselzuckend hingenommen. 

Den anderen Extremfall kann man auf manch ländlichem Wertstoffhof erleben. Da chauffiert die Hausfrau oder der Hausmann in der Absicht, alles richtig zu machen, die in der Spülmaschine ausgespülten Joghurtbechern im Daimler Woche für Woche zum Wertstoffhof. Neben dem verfahrenen Sprit ist hier das verbrauchte Wasser unnötig und nicht im Sinne der Umwelt. 

Die Ulmerinnen und Ulmer müssen also ein bisschen etwas nachholen in Sachen Mülltrennung. Denn so kommen die Sortieranlagen immer wieder an ihre Grenzen. Gerade dann, wenn „feuchter Müll“, also Lebensmittel noch in den Verpackungen sind. 

Die Reise des Joghurtbechers, der Milchtüte und der Dose passierter Tomaten beginnt früh morgens. Müllmänner hieven die Gelbe Tonne mit einem lauten Rumps in ihren Wagen. Einmal auskippen, entladen, nächste. Im Müllauto sollten Joghurtbecker, Milchtüte und Dose locker liegen. Wird der Verpackungsmüll zu sehr gepresst, wird es später auf den Förderbändern schwierig. Denn der Verpackungsmüll soll sich später auf dem Förderband möglichst getrennt voneinander verstreuen. Wenn das Müllauto voll ist, fährt es ins Ulmer Donautal, wo Remondis einen seiner Sitze hat. Dort wird die Fracht gewogen. Eine bunte Mischung. Hier gibt es zwei große Berge mit – vor allem – Kunststoffverpackungen: Der eine Berg wächst durch die Ulmer Haushalte, der andere durch die Ulmer Firmen. Beide Berge werden ständig auch wieder abgetragen. Denn der Gelbe-Tonnen-Müll wird hier nicht vor Ort sortiert und recycelt. Einer der elf Dualen Systeme-Betriebe holt den Müll dann ab.

Alle Unternehmen, die in Deutschland Verpackungen in den Verkehr bringen, müssen sich bei einem der elf Dualen Systeme lizensieren. Die Dualen Systeme bekommen ihr Geld dann im Prinzip von den Käufern zurück. Denn auf jeder Milchtüte und jeder Glasflasche Wein sind ein paar Cent hinterlegt, die für die Rücknahme, die Sortierung und Verwertung der Verpackung verwendet werden.

So ein Duales System-Betrieb bringt den Müll schließlich in eine der vier Sortieranlagen, zum Beispiel nach Walldürn im baden-württembergischen Neckar-Odenwald-Kreis, ein Teil geht nach Ölbronn bei Pforzheim, ein anderer nach Sontheim an der Brenz und wieder ein anderer nach Eitting, in der Nähe des Münchner Flughafens. Damit sind Tag für Tag tausende Lastwagen mit Müll auf deutschen Straßen unterwegs.

Der Müll kann nicht dort, wo er entstanden ist, direkt getrennt und recycelt werden, sagt Thielmann. Moderne Sortieranlagen, die mit Infrarottechnik unterschiedliche Materialien erkennen, kosteten rund 30 Millionen Euro. „Das muss sich rechnen. In solchen Anlagen werden dann rund 100 Millionen Tonnen Verpackungsmüll sortiert.“ Nochmal zum Vergleich: In Ulm fallen jährlich 5060 Tonnen Verpackungsmüll an. Seinen Müll gut zu sortieren, sei dennoch wichtig, sagt Thielmann. „Es gilt, shit in, shit out. Nur wenn wirklich gut vorsortiert ist, kann die Technologie den Verpackungsmüll überhaupt lesen.“ 

Zuerst werden die Gelben Säcke aufgerissen, dann kommt der Müll aufs erste Förderbrand, die Verpackungsreste werden darauf verteilt. Es geht dann weiter über verschiedene Bänder, die immer weiter trennen, und mit Schütteln, Gebläse und Infrarotscannern arbeiten. 

Dabei ist es laut Klaus Thielmann von Vorteil, wenn Verpackungen einfach gestaltet sind und am besten relativ rein. Das heißt: wenig Aufdruck und nur ein Material statt verschiedener Materialien an einem Becher. Der Plastikbecher wird von den Selektiergeräten nicht erkannt, wenn eine Folie drum herum ist. Generell gilt, dass durchsichtige PET-Flaschen immer besser recyclebar sind als durchgefärbte. 

Die Molkerei Berchtesgadener Land bietet ihre Milchprodukte mittlerweile in Plastikbechern an, die von einer Kartonbanderole ummantelt ist. Als Verbraucher kann man den reinen, weißen Becher in den Gelben Sack werfen und die Banderole in den Papiermüll.

Aus dem Kunststoff, das zu Granulat verarbeitet und dann eingeschmolzen wird, werden zum Beispiel Kabeltrommeln, Folien, Rohre, Transport-und Balkonkästen. Für Lebensmittelverpackungen müssen aus Hygienegründen immer wieder frische Kunststoffe verwertetet werden. Anders ist das bei den PET-Getränkeflaschen. Um hier sicher zu gehen, dass die Flaschen nicht mit anderen Verpackungen in Kontakt kommen und somit den Hygienestandard auch nach dem Recycling erfüllen, kann dieses Leergut im Supermarkt in den Pfandautomaten zum Schreddern gesteckt werden. Aktuell bestehen neue PET-Flaschen zu mindestens 75 Prozent aus Recycling-Material, teilt die Gemeinsame Stelle Dualer Systeme Deutschlands GmbH mit. Das Verpackungsgesetz schreibt vor, dass ab 2022 für mindestens 63 Prozent der Kunststoffverpackungen eine werkstoffliche Aufbereitung sicherzustellen ist.

30 bis 40 Prozent aber werden nicht mechanisch und nicht per Infrarot erkannt. Diese Sortierreste – der Abfall des Abfalls – bleibt auf dem Förderband liegen. Und landet am Schluss in der Verbrennungsanlage. Damit ist aber auch der Rohstoff, zum Beispiel wertvoller Kunststoff, für immer verloren. Dabei könnte er doch wieder in den Kreislauf zurückkommen und zu neuem Leben erweckt werden.

Isabella Hafner


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