Ulm wird Wasserstoffregion

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Ulm wird Wasserstoffregion

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Wird das Weißenhorner Bähnle bald lärm- und abgasfrei durch die Landschaft rauschen, aus dem Auspuff statt Dieselruß nur noch Wasserdampf strömen? Was wie eine schöne Zukunftsvision klingt, könnte schon bald Realität werden, wenn es nach aktuellen Plänen für die Wasserstoffregion Ulm geht. In der Tat sind Wasserstoffantriebe besonders für Regional- und S-Bahnen interessant, da sie eine günstige Alternative zu langwierigen Elektrifizierungs-Maßnahmen darstellen.

Nach dem Corona-Schock scheint auch der politische Wille vorhanden, um die Energie- und Mobilitätswende endlich in Angriff zu nehmen. Mit 300.000 € wird das bereits 2019 beantragte Programm „H2 PURe“ der Städte Ulm und Neu-Ulm im Verbund mit den Landkreisen, Hochschulen und Instituten in der ersten Phase durch das Bundes-Verkehrsministerium gefördert. „Mit starken Projektpartnern aus Forschung und Industrie sind wir im Programm ‚HyLand‘ ganz vorne dabei“, erläutert Marius Pawlak, Leiter der Zentralstelle im Ulmer Rathaus. Er koordiniert die Aktivitäten zur Wasserstoffregion von Seiten der Stadt Ulm. Innerhalb von 18 Monaten soll nun ein Konzept für den Aufbau einer regionalen Wasserstoffwirtschaft bis zum Jahr 2025 entstehen, das vor allem Investitionssicherheit für interessierte Unternehmen schaffen soll.

Der Coradia iLinit wird als erster Wasserstoff-Zug im Linienverkehr eigesetzt. Foto hpgruesen/pixabay.com
Der Coradia iLinit wird als erster Wasserstoff-Zug im Linienverkehr eigesetzt. Foto hpgruesen/pixabay.com

 

Die Region Ulm/Neu-Ulm punktet dabei mit einer langen Tradition im Nutzfahrzeugbau, namhaften Forschungseinrichtungen wie dem ZSW (Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung) sowie Ausbildungsstätten und Hochschulen. Pawlak ist überzeugt, dass es sowohl genügend Kapazitäten von regenerativ erzeugtem Strom als auch den entsprechenden Wasserstoff-Bedarf in Transport und Indus-trie gibt. „Wir müssen jetzt die entsprechenden Akteure zusammenbringen.“ Mit dem WBZU (Weiterbildungszentrum für innovative Energietechnologien der Handwerkskammer Ulm) besitzt Ulm bereits eine zentrale Einrichtung, die nun zur „Koordinationsstelle Wasserstoff“ ausgebaut werden soll.

Vom WBZU erhofft man sich auch Kompetenz in Sachen Bürgerbeteiligung. Hier wurden bereits etliche Dialogveranstaltungen in Bezug auf Zukunftstechnologien durchgeführt. Denn die Wasserstoff-Technologie ist bei Vielen noch von Skepsis und Vorurteilen geprägt. „Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten, um die Bevölkerung für die Idee zu gewinnen“, so Pawlak. Am besten gelingt das, wenn die Wertschöpfung in der Region bleibt. Deshalb steht z.B. die Idee einer Wasserstoff-Genossenschaft im Raum. „So könnten wir neben regionalen Unternehmen auch Kleinanlegern die Chance bieten, mit nachhaltigen Geldanlagen an der Entwicklung zu profitieren. Gleichzeitig wäre man unabhängiger von Spekulationen großer Investoren.“

Eine besondere Herausforderung stellt die Logistik dar. Der Transport von Wasserstoff (unter hohem Druck oder flüssig bei extrem kalten Temperaturen) ist teuer und erfordert effiziente Strategien. In Ulm konzentriert man sich dabei auf ein mobiles Konzept. In einer Art Pfandsystem könnten Tanks von LKWs abgeladen und später leer wieder abgeholt werden. Ob ein virtuell vernetztes System von Gastanks ganz ohne zentrale Speicher auskommt, soll „H2 PURe“ unter anderem klären. Bei einem Produktions-Überschuss könnte ein Teil des Wasserstoffs auch als Beimischung in das Erdgasnetz (max. 10-20 %) eingespeist werden.

Als Abnehmer von „grünem“ Wasserstoff kommen sowohl große Industriebetriebe in Frage wie auch Tankstellenbetreiber oder die Stadtwerke mit ihrer großen Fahrzeugflotte. Überhaupt ist der ÖPNV seit langem Innovationstreiber im Bereich der alternativen Antriebstechnologien. Neu ist dagegen die Anwendung im Schwerlastverkehr. Am Ulmer IVECO-Standort sollen schon 2023 erste Brennstoffzellen-betriebene LKW mit einer Nutzlast von 44 Tonnen vom Band rollen (s. Seite 8).

Mit der Wasserstoffwirtschaft will man in der Region vor allem Überkapazitäten nutzen, um Energie aus Ökostrom auch für den Verkehrssektor nutzbar zu machen und dort erhebliche Mengen von CO2 einzusparen. Interessant könnte dies vor allem für Betreiber älterer Wasserkraftwerke ohne EEG-Förderung werden, die dann auch Wasserstoff vermarkten könnten, statt überschüssigen Strom als „Ramschware“ an der Börse zu verkaufen. Letztlich ist aber entscheidend, mit welchem Aufwand die Wasserstoffregion Ulm wie viel Treibhausgase einsparen kann.

Thomas Dombeck, Foto © ZSW