Städtebau in Ulm: Holzweg oder Holz als Weg?
Ein Interview mit Bürgermeister Tim von Winning
Herr von Winning, Sie als Baubürgermeister - könnten Sie sich Holzhäuser in Ulm vorstellen?
Holz ist ein Baumaterial wie andere auch, mit Vorteilen aber auch Nachteilen, Brennbarkeit etwa. Mit denen kann man aber umgehen, es ist zu einem technischen Produkt geworden mit berechenbaren Kennwerten. In der Stadt hat es genauso seine Berechtigung wie jedes andere Material auch. Wegen des Ressourcenthemas aber vielleicht sogar eine höhere. Es gibt interessante Beispiele in Städten wie Berlin und Wien. Dort stehen urbane Gebäude, die gar nicht tirolerisch daher kommen. Das hat, glaube ich, auch die Einschätzung der Bevölkerung gegenüber Holzbau total verändert.
Und konkret in Ulm?
Es gibt viele Holzhäuser in Ulm, die durchaus auch städtisch sind: Im Römerpark am Kuhberg oder in der Sonnenfeld-Siedlung am Eselsberg - eine Passivhaussiedlung. Am Lettenwald sind mehrgeschossige Holzhäuser gebaut worden, die Grundstücke hat die Stadt an Projekte vergeben, die Holzbau ausprobieren wollen. Auch unsere städtische Wohnungsbaugesellschaft UWS hat dort nun ein erstes Holzbauprojekt realisiert, das fast fertig ist. Am Safranberg vergeben wir Grundstücke stark danach, ob jemand bereit ist, Besonderheiten für so ein Quartier zu realisieren. Da sind soziale Themen dabei, energetische, wohnungspolitische - aber eben auch: Holzbauten. Wir haben vier oder fünf Holzhybridbauten dabei: Das heißt, Decken und ein paar Tragsysteme sind aus Stahlbeton, aber die Fassaden sind vollständig aus Holz. Und wir werden den Holzbau auch für die Vergabe am Weinberg als relevant für die Bewerbungen setzen.
Könnten Sie sich ein Holzhaus aber auch tatsächlich mitten in der Innenstadt vorstellen?
Es gibt Holzfassaden, die auch in der Stadt funktionieren. Man muss da halt ein bisschen aufpassen, weil sie manchmal auch etwas lieblich wirken können und fremd. Und durch die Verwitterung können sie einen anderen Charakter bringen. Aber ich wäre sehr offen. Ich finde auch, dass ein Holzhaus wie ein Holzhaus aussehen darf. Man muss es nicht verstecken in einem „Kleid“. Direkt ums Münster oder in der neuen Mitte kann ich mir allerdings ein Holzhaus nur schwer vorstellen.
Könnte Holz ins Ulmer Stadtbild passen, weil es in Süddeutschland immer schon eine große Rolle gespielt hat, weil auch die Alpen nah sind? Oder weil Holz als Fachwerk an manchen Stellen der Stadt - etwa im Fischerviertel, in den Gassen hinter dem Münster - schon immer sichtbar ist und damit eine Verbindung geschaffen würde?
Es geht nicht so sehr um Ästhetik, wenn wir Holz unterstützen wollen. Sondern darum, dass es oft eine ökologischere Alternative ist zu mineralischen Bauteilen. Der CO2-Fußabdruck ist viel geringer. Wenn es darum geht, was passt in die Stadt, was nicht, dann sollten wir da nicht zu streng sein. Eine Stadt hat so eine Art Genius Loci, eine Besonderheit des Ortes, wobei die sich in den letzten Jahren in fast allen Städten verwischt hat. Wir haben viele Gebäude, die auch in anderen Städten stehen könnten. Man sagt nicht mehr: Das ist etwas Spezielles von Ulm. Das steile Giebeldach, das es in der Innenstadt oft gibt, vielleicht. Dort sind aber auch die meisten mineralischen Fassaden verputzt. Man muss sich einfach den Raum genau anschauen. Im Fischerviertel oder auf dem Kreuz passen Holzhäuser auf jeden Fall besser.
Isabella Hafner