Share Economy statt Kaufrausch
Rund die Hälfte unserer CO2 Emissionen verursacht der Konsum von Waren. Wie oft wir aufwändig produzierte Güter oder Geräte kaufen, beeinflusst unsere persönliche Klimabilanz entscheidend. Daher gilt der Grundsatz: Alles so lange verwenden wie möglich und selten benötigte Dinge lieber leihen statt kaufen. Möglichkeiten gibt es inzwischen viele, vom Reparaturcafé bis zum Carsharing. Wer dazu nicht das geeignete Umfeld hat, kann auf organisierte Dienstleistungen zurückgreifen. Das Haus der Nachhaltigkeit Ulm/Neu-Ulm (HdN) leistet dabei Pionierarbeit.
„An dieser Stelle gibt es oft verstopfte Abflussschläuche“, erläutert Prof. Gerald Stengele bei unserem Besuch an einer Waschmaschine. „Das ist schnell repariert.“ Die unterschiedlichsten Waschmaschinen-Fabrikate und ihre Wehwehchen kennt der Maschinenbau-Ingenieur und Dozent an der THU inzwischen auswendig. Denn er ist Mitinitiator des Reparaturbetriebs „repair4U“ im Haus der Nachhaltigkeit Ulm/Neu-Ulm. Seit rund einem Jahr werden in der Hinterhofwerkstatt der Augsburger Straße 23-25 Wäschetrockner sowie Wasch- und Spülmaschinen von Spezialisten ehrenamtlich repariert und so mit einem zweiten Leben versehen.
Was „repair4U“ leistet
„Oft kaufen die Betroffenen gleich eine neue Maschine, weil die Reparatur durch Fachbetriebe zu teuer ist oder gar nicht angeboten wird“, weiß Stengele aus Erfahrung. In diesem Fall werden die reparierten Geräte zu sehr günstigen Preisen abgegeben bzw. stehen als Leihgeräte für Notfälle bereit. Das Konzept leuchtet ein und funktioniert offenbar gut.
Das engagierte Team aus Freiwilligen konnte bereits mehrere Dutzend Maschinen vor der Verschrottung retten. Alle Reparateure haben einen fachlichen Background und bzw. lange in der Branche gearbeitet.
Noch läuft alles ehrenamtlich. Jetzt sucht „repair4U“ allerdings eine engagierte Elektrofachkraft als Werkstattleiter*in in Teilzeit, um sich weiter zu professionalisieren und letztlich eine Zertifizierung als Reparaturbetrieb zu erlangen. Die Anforderungen sind allerdings nicht ganz trivial, viel Praxiserfahrung und ein Meistertitel sind von Vorteil. Professionelles Werkzeug und Prüfgeräte sind vorhanden.
Die größte Herausforderung stellt momentan die Logistik dar. Für den Transport der schweren Geräte ist ein geeignetes Fahrzeug erforderlich und viele potenzielle Kunden scheuen den Aufwand, ihre Maschine zur Diagnose in die Augsburger Straße zu bringen. Die Vision ist daher ein mobiler Reparaturdienst, der die Prüfung und einfache Reparaturen vor Ort ermöglicht. Bereits durch telefonische Beratung wären nach Schätzung des Teams ein Teil der Reparaturen von den Betroffenen selbst zu leisten. Oft genügt schon einfaches Aus- und Einschalten, das Beseitigen von Verstopfungen oder der Austausch einer Sicherung, um das Gerät wieder zum Leben zu erwecken.
Alles ist LeihBar!
Das stimmt in Ulm/Neu-Ulm zwar noch nicht ganz, aber ein guter Anfang ist gemacht mit der LeihBar im Haus der Nachhaltigkeit. Seit April 2024 können im neuen Leihladen in der Augsburger Straße 23-25 jeweils dienstags von 18:30 bis 20:00 Uhr und mittwochs von 10:30 bis 12:00 Uhr alle Geräte und Waren aus dem umfangreichen Bestand ausgeliehen werden. Nach Art einer Bibliothek der Dinge benötigt man nur eine Mitgliedschaft, um seinen Wunschartikel kostenlos für einen vereinbarten Zeitraum mitzunehmen.
Aktenvernichter, Beamer, Campingstuhl … die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Im Sortiment der LeihBar sind vorwiegend Werkzeuge, Elektrogeräte und Haushaltsgegenstände, die Viele nur einmal oder selten benötigen. Wer z.B. ein Fest plant, findet dort Stehtische, Kaffeemaschinen, Warmhalteschalen, Geschirr und Gläser sowie Verstärker oder Partylichter. Für Heimwerker*innen gibt es ein umfangreiches Sortiment an hochwertigen Akku-Werkzeugen inklusive Zubehör. Dank einer Anschubfinanzierung durch Spenden und Fördermittel konnte die LeihBar gleich zu Beginn mit einem ansehnlichen Warenbestand starten. Und der nimmt mittels Sachspenden ständig zu.
Über 100 Mitglieder haben sich bereits in der LeihBar registriert. Am gefragtesten sind nach Angaben der Organisatorin Ute Brischar vier hochwertige Klapp-Pavillions und größere Kaffeemaschinen. Aber werden die Sachen auch gut behandelt? „Grundsätzlich werden die meisten Artikel sauber und ordentlich zurückgegeben“, sagt Ute Brischar. „Die Menschen, die die LeihBar nutzen, schätzen das Angebot und die Möglichkeit sehr. Bisher hat dies noch niemand ausgenutzt.“ Auch wenn die LeihBar schon gut ausgestattet ist, würde sich das HdN Team besonders über weitere Werkzeuge und Gartengeräte freuen. Sachspenden werden gerne angenommen, sofern sie in gutem Zustand sind und in den Bestand passen. Am besten schickt man vorher ein Foto an leihbar@h-d-n.org.
Weitere Initiativen
Neben dem Haus der Nachhaltigkeit in Neu-Ulm gibt es in unserer Region zahlreiche weitere Orte und Initiativen, die sich der Reparatur und Weiterverwendung von Gebrauchtwaren widmen. Die „Wiblinger Akteure“ aus der Franziskus-Gemeinde am Tannenplatz betreiben z.B. ein Reparaturcafé (jeden ersten und letzten Montag des Monats, 17-20 Uhr) für Fahrräder, Elektrogeräte u.v.m. sowie eine „Fundgrube“, wo Gebrauchtwaren und Upcycling-Kunst angeboten werden.
Weitere Reparaturcafés gibt es in Böfingen, Unterweiler, Erbach und Nersingen (www.reparatur-initiativen.de). Die BikeStation-Ulm in der Magirusstraße 17 (freie-fahrrad-werkstatt-ulm@web.de) repariert gebrauchte Fahrräder und gibt diese zu günstigen Preisen ab. Im Böfinger Einkaufszentrum hat eine „FairSchenkOase“ eröffnet, in der Gebrauchtwaren einfach gebracht und mitgenommen werden können. Dies sind nur einige der aktuellen Angebote.
Thomas Dombeck
repair4U
ist telefonisch montags von 18 bis 20 Uhr unter der Nummer 0177-7291452 bzw. per Mail unter kreislaufwirtschaft@h-d-n.org zur erreichen, oder dienstags von 19 bis 22 Uhr vor Ort in der Augsburger Straße 23-25 in Neu-Ulm.
www.h-d-n.org/repair4u
LeihBar
Interessierte melden sich einfach für eine Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft des HdN (Jahresbeitrag 24 €) an und registrieren sich auf dem Onlineportal der „LeihBar“. Nach Bestätigung durch das LeihBar-Team kann man sich unmittelbar im Warenlager umsehen oder sich online in dem übersichtlichen Shop etwas aussuchen und reservieren. Aktuell befinden sich über 400 Artikel im Katalog. Dazu gibt es noch ein Verschenk- und Tauschregal sowie ein schwarzes Brett für private Ausleihen.
www.h-d-n.org/leihbar-1