Wohin steuert Ulm?
Christoph Leonhard Wolbach war 1819 das erste Ulmer Stadtoberhaupt. Wer wird der 12. OB? Darüber entscheiden die Ulmer Bürgerinnen und Bürger am 3. Dezember. Wir haben der Kandidatin und den drei Bewerbern, die bis zum Redaktionsschluss dieses Heftes ihren Hut in den Ring geworfen hatten, fünf für uns wichtige Fragen gestellt.
Die Fragen
1) Hitzewellen, Überschwemmungen, Energiekrise. Der Klimawandel stellt uns Menschen vor große Herausforderungen. Auch in Ulm. Doch nehmen alle das Thema ernst? Wie möchten Sie die Bürger davon überzeugen, dass sich nun viele Dinge auch im privaten Umfeld ändern müssen?
2) Stichwort gesellschaftliches Engagement. Wenn Sie kein Amt bekleiden würden, in welchem Bereich würden Sie sich dann als Privatbürger besonders engagieren?
3) Ulm verspricht als SmartCity der Bürgerschaft ein nachhaltig geprägtes und umweltfreundliches Miteinander. Welche digitalen Angebote der Stadt sind Ihre Spitzenreiter?
4) Wo drückt der Ulmer Schuh aus Ihrer Sicht am stärksten? Sprich: Welches Thema muss auf jeden Fall und schnellstmöglich angepackt werden?
5) Wagen Sie ein Blick in die Zukunft? Wie sieht Ulm im Jahr 2035 aus?
Gunter Czisch (CDU)
ist seit 2016 Oberbürgermeister der Stadt Ulm. Und das möchte der 60-Jährige auch für die kommenden acht Jahre bleiben.
1) Ja, ich bin sicher, dass die meisten Menschen das Thema inzwischen wirklich ernst nehmen und bereit sind, Veränderungen mitzutragen. Ich kann aber auch diejenigen gut verstehen, die verunsichert sind: Was kann der Einzelne denn schon tun? Wie verhalte ich mich "öko", wenn ich schon jetzt kaum über die Runden komme? Es darf nicht zu einer sozialen Schieflage kommen, in der sich Menschen als Verlierer sehen, obwohl sie mit ihrem schmalen Budget ohnehin einen niedrigeren CO2-Fußabdruck haben. Wie ich in meiner Schwörrede gesagt habe: Es geht darum, gute Lösungen zu finden, bei denen möglichst alle mitgehen können.
2) Ich würde mich dort engagieren, wo auch meine Hobbys liegen: In einem Musik- oder Sportverein. Ganz sicher würde ich auch meine Arbeit im Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes wieder intensivieren. Daneben wäre mir soziales und caritatives Engagement sehr wichtig, weil ich glaube, dass dies der Kitt ist, der unsere Gemeinschaft im Innersten zusammenhält.
3) Der flächendeckende Glasfaserausbau als technische Grundvoraussetzung, dann Projekte wie Digital-Mentoren oder Daheim Dank Digital, die helfen, dass möglichst viele Menschen unsere Angebote auch nutzen können und Angebote wie Talking Trees oder die Messung von klimabezogenen Daten in der Innenstadt, die allen offenstehen.
4) Wohnraum für alle, sichere Arbeitsplätze, Energie- und Verkehrswende, Geflüchtete, Bildung und Betreuung: Welches Thema man ganz oben auf die Agenda setzt, das ist oft eine Frage der persönlichen Perspektive. Wenn wir diese Themen aber nicht zuerst als Probleme, sondern als Aufgaben sehen, dann muss ich fragen: Was brauchen wir, um diese Aufgaben zu lösen? Wir brauchen gute Ideen, aber wir brauchen auch weiterhin wirtschaftliche Stärke, damit wir handeln und Maßnahmen umsetzen können. Und wir brauchen weiterhin ein gutes Zusammenleben in unserer Stadt. Zuversichtlich stimmt mich, dass Ulm heute so gut dasteht, dass wir handlungsfähig sind.
5) 2035 ist Ulm eine weitgehend klimaneutrale, soziale, innovative, grüne und kulturell reiche sowie wirtschaftlich starke Stadt. Das ist mein Ziel. Dafür arbeite ich.
Lena Schwelling (GRÜNE)
Die Gemeinderätin (31) ist seit zwei Jahren Landesvorsitzende des Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg.
1) Das Wundervolle an der Kommunalpolitik ist ja, dass wir hier nicht mit Gesetzen um die Ecke kommen müssen, sondern konkrete Lösungsvorschläge machen und dabei die Menschen mitnehmen können. Bei der Wärme beispielsweise können wir mit Fern- und Nahwärmekonzepten die Menschen entlasten und die Wärmewende städtisch organisieren. Bei der Energie ist es ähnlich, wenn wir die Dächer mit PV-Anlagen bestücken, können wir hier in Ulm - trotz des berühmten Nebels - viel Sonnenenergie erzeugen. Dafür müssen wir aber, insbesondere was Genehmigungen und Anschließen der Anlagen angeht, dringend einen Zahn zulegen.
Am unbequemsten wird es im Verkehrsbereich werden, denn in einer Stadt mit begrenztem Platzangebot mehr Raum für ÖPNV, Fuß- und Radverkehr zu schaffen, das geht nur auf Kosten des Autos. Aber ich bin überzeugt, dass wir dadurch auch gewinnen können: wenn wir beispielsweise mehr Platz fürs Rad haben und das Fahren nicht nur komfortabler und schneller, sondern vor allem auch sicherer wird, dann macht es es auch mehr Spaß klimafreundlich unterwegs zu sein.
2) Klimaschutz, denn das ist die zentrale Aufgabe unserer Zeit.
3) Ganz ehrlich: Irgendwie keine. Die SWU und DING-App sind digitale Zumutungen, die Bürgerdienste immer noch ziemlich analog und auch sonst hinken wir in dem Bereich einfach sehr hinterher.
4) Die klimainduzierten Veränderungen sind da und sie beeinträchtigen unser Leben massiv. Die letzten fünf Jahre waren die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen und sie werden die kühlsten für den Rest unseres Lebens gewesen sein. Wenn wir nicht endlich anfangen uns etwas zuzumuten für den Klimaschutz, dann wird die Klimaveränderung uns noch ganz andere Zumutungen aufzwingen. Klimaschutz ist kein Gefallen, den wir der Natur tun, sondern es geht um uns, als Menschen. Es ist an der Zeit, das so offen auszusprechen und entsprechend zu handeln!
5) Ganz einfach: Grün. Voller Bäume, begrünter Fassaden und entsiegelter Flächen, die Schatten spenden, die Stadt herunterkühlen und auch große Regenmengen gut aufnehmen können.
Martin Ansbacher (SPD)
Der Rechtsanwalt (47) ist seit 2019 Vorsitzender der Ulmer SPD-Gemeinderatsfraktion.
1) Wir müssen bewusst machen, dass jede/r Einzelne eine Verantwortung hat und einen eigenen Beitrag im Alltag leisten kann, um die Herausforderungen des Klimawandels anzugehen und dafür werben, das Verhalten zu ändern: Weniger Auto fahren, seltener Fleisch essen, Strom sparen, bewusster einkaufen, Müll vermeiden. Mit dieser Haltung kann ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet und dabei auch noch Geld gespart werden. Damit sich das Verhalten im Alltag ändert, muss es aber auch ein attraktives Angebot, beispielsweise beim ÖPNV und der Nutzung des Fahrrades geben.
2) Da ich in zahlreichen Vereinen bereits jetzt aktiv und in Verantwortung bin, weiß ich, dass Vereine unersetzlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind und gestärkt und unterstützt werden müssen. Ich werde und würde mich deshalb im Sportverein, im Bereich Klimaschutz, bei der Unterstützung von Geflüchteten und in weiteren Institutionen engagieren, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken wollen. Der Austausch und der Kontakt sind mir wichtig. Außerdem werde und würde ich mich dafür einsetzen und stark machen, unsere (kommunale) Demokratie gegen Anfeindungen zu schützen und zu stärken.
3) Die SmartCity umfasst viele interessante Projekte. „Real, digital, vernetzt – Quartier neu verstehen“ und „Smartes Grün“ finde ich spannend. Die Digitalisierung der Verwaltung darf jedoch nicht nur in schönen Leuchtturmprojekten in Hochglanzbroschüren zu sehen sein, sondern muss im Dienst der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich und tagtäglich spürbar werden und vor allem funktionieren.
4) Die drängendsten Probleme sind aus meiner Sicht: Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, mehr Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt, Ausbau und Sanierung der Bildungsinfrastruktur, Ausbau des ÖPNV, mehr Grünflächen in der Stadt und Ausbau des kommunalen Klimaschutzes.
5) Ulm ist im Jahr 2035 eine prosperierende, moderne, soziale, bunte und internationale Stadt, die sich selbstbewusst den Herausforderungen gestellt hat und weiter stellt.
Thomas Treutler
Der 52-Jährige ist Diplom-Betriebswirt und Inhaber eines Comic-Ladens.
1) Zum einen durch persönliches Vorleben. Ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit oder gehe zu Fuß. Messen besuche ich per Bahn, Ökostrom nutze ich privat, seit die SWU dies im Angebot hat und seit Gründung von Comic Home nutze ich ihn auch dort. Zum anderen muss Ulm und die SWU bei der Mobilität, der Energie usw. Angebote zur Verfügung stellen, die ein Umdenken anregen. Für mich bedeutet Umweltschutz auch Katastrophenschutz. Aktionen zum Mitmachen können Menschen eher erreichen als ausschließlich Marketingaktionen.
2) Als Jugendlicher hielt ich Kinderkirche und leitete Jugendgruppen. Da ich noch kein Amt begleite möchte ich es daher anders formulieren. Was möchte ich von Heute in das Amt übernehmen? Im Comic Home habe ich eine Anlaufstelle für Menschen, die einfach mal jemand zum Sprechen benötigen. Es ist ein Ort zum Wohlfühlen und zum Verweilen. Gute Laune tanken und dem Alltag entfliehen. Solche Orte möchte ich u.a. als OB neu schaffen.
3) Ulm verspricht… Für mich ist es bisher leider nur eine teure Marketingkampagne. „Ulm versteht sich als lebendige Bürgerstadt“ dieser Satz spricht viel. Fühlen Sie sich als Leser in diesem Thema mitgenommen? Kennen Sie das Konzept überhaupt? Ein Konzept kann perfekt ausgearbeitet sein, bewirkt aber nichts, wenn wir Bürger nicht mitgenommen werden. Ich werde Projekte aktiv, verständlich und bürgernah angehen, denn nur so werden diese akzeptiert und gelebt.
4) Sicherheit und Baustellen bewegten mich zur Kandidatur zum OB. Mich auf ein Thema zu beschränken fällt mir schwer. Jedoch sind bei den Baustellen „die Zehen schon lange blutig“. Besserung ist auch nicht in Sicht! U.a. da der Ulmer Stadtrat entgegen der Empfehlung des Baubürgermeisters weitere „Baustellen“ aufmacht, die nach dessen Aussage bestehende Baustellen verlangsamen.
5) Ulm wie es heute ist, ist das Ulm des OB und des Gemeinderates. Somit sind die anderen Kandidaten für die Entwicklung seit 2016 maßgeblich verantwortlich. Somit wird Ulm 2035 eine Weiterführung dieser Entwicklung sein. Ich traue mir zu, aus Ulm bis 2035 eine lebendige, sichere und zukunftsgerichtete Stadt zu machen, in der Studierende in Ulm nach dem Studium bleiben. Handel, Gastronomie und Wirtschaft die Arbeitskräfte bekommen, die sie benötigen und jede Generation sagt „Ulm ist meine Wohlfühlstadt!"
Stefan Loeffler